Grundversorger sind bilanziell zuständig für abgelehnte Kunden Bundesgerichtshof bestätig die Auffassung der Bundesnetzagentur
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit erst kürzlich veröffentlichter Entscheidung vom 27.10.2020 l Az.: EnVR 104/19 einen Beschluss der Bundesnetzagentur (BNetzA) bestätigt, wonach ein Grundversorger die bilanzielle Zuordnung von grundversorgungsfähigen Letztverbrauchern dulden muss, solange nicht die Unterbrechung der Anschlussnutzung im Auftrag (d.h. auch auf Kosten) des Grundversorgers oder die Zuordnung zu einem anderen Lieferanten erfolgt.
Grundversorger sind berechtigt, die Grund- / Ersatzversorgung von Letztverbrauchern bei vorhandenen Zahlungsrückständen wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit abzulehnen. Bei einer berechtigten Ablehnung kommt zwischen dem Grundversorger und dem betroffenen Letztverbraucher kein (Grund- oder Ersatz-) Versorgungsverhältnis zustande. Streitig war aber, wer für die weiterhin vom Letztverbraucher ohne Versorgungsverhältnis und damit unberechtigt entnommenen Strommengen - bilanziell und finanziell - verantwortlich ist. Damit einher geht die Frage, wer in derartigen Situationen ggf. eine Sperrung veranlassen und damit neben den häufig uneinbringlichen Kosten für die gelieferte Energie die Kosten der Sperrung bzw. erfolgloser Sperrversuche tragen muss. Laut der Bundesnetzagentur (BNetzA) der Grundversorger. Nach Auffassung der BNetzA verstoße ein Grund-/Ersatzversorger gegen ihm obliegende Pflichten (§ 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV i.V.m. §§ 20 Abs. 1, 36 sowie 38 EnWG), indem er grundversorgungsfähige Letztverbraucher aus der Ersatzversorgung aktiv abmeldet und eine unmittelbar darauffolgende Neuanmeldung in die Grundversorgung ohne vorherige Versorgungsunterbrechung der jeweiligen Letztverbraucher ablehnt. Dies entspreche der gesetzlichen Wertung der Regelungen zur Grund- und Ersatzversorgung (§§ 36, 38 EnWG), auch wenn bei berechtigter Ablehnung der Grund-/Ersatzversorgung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit unstreitig ein vertragliches oder gesetzliches Belieferungsverhältnis nicht zustande kommt.
Hiergegen wendete sich der betroffene Grundversorger mit einer Beschwerde zum OLG Düsseldorf. Nachdem das OLG Düsseldorf die Auffassung der BNetzA bestätigte, folgte dem auch der BGH mit Beschluss vom 27.10.2020 l Az.: EnVR 104/19, dessen Entscheidungsgründe erst Mitte April veröffentlicht wurden. Auch unberechtigte Stromentnahmen müssten nach Auffassung des BGH stets einem Bilanzkreis zugeordnet werden. Dem Netzbetreiber sei aus entflechtungsrechtlichen Gründen nur der Transport, aber nicht die Lieferung von Energie gestattet. Aus den Regelungen zur Grund- und Ersatzversorgung (§§ 36, 38 EnWG) folge, dass die betroffenen Entnahmestellen auch im Falle einer Ablehnung der Versorgung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit bilanziell dem Grundversorger solange zuzuordnen sind, bis ein Lieferantenwechsel erfolgt oder die Entnahmestelle im Auftrag (d.h. auch auf Kosten) des Grundversorgers gesperrt wird. Dem Grundversorger stehe gegen den Nutzer der Lieferstelle ein Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch zu.
Demnach muss der Grundversorger das bilanzielle und damit auch das finanzielle Risiko unberechtigter Entnahmen sowie die Kosten der Sperrung tragen, obwohl er von seinem gesetzlichen Recht Gebrauch gemacht hat, die (Weiter-)Versorgung der betroffenen Letztverbraucher wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit abzulehnen. Hierdurch wird sein in den §§ 36, 38 EnWG enthaltenes Ablehnungsrecht nach Auffassung des VKU faktisch entwertet. Letztlich dürften etwaige Zahlungsansprüche in der Regel uneinbringlich sein. Auch stellt die von der BNetzA und den Gerichten aufgezeigte Möglichkeit, diese Forderungsausfälle im Rahmen des Grundversorgungstarifs zu berücksichtigen, keine sachgerechte Lösung dar. Denn die Ablehnung der Grundversorgung aufgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit soll auch gewährleisten, dass die Gesamtheit der Grundversorgungsberechtigten nicht mit Kostenfolgen belastet wird, die aus atypischen Versorgungssituationen resultieren und deshalb aus dem Kalkulationsrahmen der Allgemeinen Preise und Bedingungen herausfallen. Gerade solche Versorgungssituationen liegen aber dem BNetzA-Beschluss zugrunde. Zudem dürfte der Schluss, den die BNetzA und die Gerichte aus den Entflechtungsvorschriften und den untergesetzlichen Regelungen ziehen, nicht zwingend sein. Auch wenn berechtigte Kritik an der Rechtsauffassung der BNetzA geübt werden kann, ist sie doch höchstrichterlich bestätigt worden. Daher sollten Unternehmen, die bisher den Netzbetreiber das finanzielle Risiko für die Unterbindung unberechtigter Stromentnahmen haben tragen lassen, ihre Praxis entsprechend anpassen.