EuGH beantwortet Fragen aus Deutschland
DSGVO steht Schufa-Datenverarbeitungspraktiken entgegen

Der Gerichtshof der Europäischen Union EuGH hat auf Vorlage des Verwaltungsgerichts (VG) Wiesbaden entschieden, dass das von der Schufa praktizierte „Scoring“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung aber im Widerspruch zur DSGVO steht.

12.01.24

Mehrere Bürger hatten vor dem VG Wiesbaden Bescheide des zuständigen Datenschutzbeauftragten angefochten, mit denen er sich weigerte, gegen bestimmte Tätigkeiten der SCHUFA vorzugehen, zu deren Kunden insbesondere Banken zählen. Sie wandten sich konkret gegen das „Scoring“ sowie gegen die Speicherung von aus öffentlichen Registern übernommenen Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung.

Das „Scoring“ ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, das es ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Verhaltens, wie etwa die Rückzahlung eines Kredits, vorauszusagen. Die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung werden im deutschen öffentlichen Insolvenzregister sechs Monate lang gespeichert, während Verhaltensregeln der deutschen Wirtschaftsauskunfteien für ihre eigenen Datenbanken eine Speicherdauer von drei Jahren vorsehen. Das VG Wiesbaden ersuchte den EuGH, den Umfang des Schutzes der personenbezogenen Daten, wie er von der DSGVO vorgesehen ist, näher zu erläutern.

Der EuGH entschied, dass das „Scoring“ als eine von der DSGVO grundsätzlich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen ist, sofern die Kunden der SCHUFA, wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen. Es obliegt nun dem VG Wiesbaden zu beurteilen, ob das deutsche BDSG im Einklang mit der DSGVO eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält. Trifft dies zu, wird das VG Wiesbaden außerdem zu prüfen haben, ob die in der DSGVO vorgesehenen allgemeinen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung erfüllt sind.

In Bezug auf die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung entschied der EuGH, dass es im Widerspruch zur DSGVO steht, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu verfügen, überwiegen. Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen.

Was die parallele Speicherung solcher Informationen durch die SCHUFA während dieser sechs Monate angeht, ist es Sache des VG Wiesbaden, die in Rede stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen, um die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung zu beurteilen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die parallele Speicherung während der sechs Monate rechtmäßig ist, hat die betroffene Person dennoch das Recht, Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen, sowie das Recht auf deren Löschung, es sei denn, die SCHUFA weist das Vorliegen zwingender schutzwürdiger Gründe nach.

Schließlich betont der EuGH in seinen Urteilen vom 07.12.2023 in der Rechtssache C-634/21 SCHUFA Holding (Scoring) und in den verbundenen Rechtssachen C-26/22 und C-64/22 SCHUFA Holding (Restschuldbefreiung), dass die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.

Es obliegt nun dem VG Wiesbaden zu beurteilen, ob das deutsche BDSG im Einklang mit der DSGVO eine gültige Ausnahme von dem vom EuGH grundsätzlichen festgestellten Verbot enthält. Trifft dies zu, wird das VG außerdem zu prüfen haben, ob die in der DSGVO vorgesehenen allgemeinen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung erfüllt sind.

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