Bundesgerichtshof erweitert Kreis der Anspruchsberechtigten
Kartellschadensersatz auch für geleaste Lastkraftwagen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 05.12.2023 (LKW-Kartell III) entschieden, dass Ansprüche auf Ersatz von kartellbedingten Schäden auch Leasingnehmern und Mietkäufern von Lastkraftwagen zustehen können.

05.12.23

Die Klägerin in dem vom BGH entschiedenen Streitfall ist ein mittelständisches Unternehmen, das im Baustoffhandel tätig ist. Sie nutzte auf der Grundlage von zwölf Leasingverträgen und Mietkaufverträgen im Zeitraum von Februar 2005 bis 2012 von der Beklagten sowie dem Konzern der Streithelferinnen zu 1 bis 3 hergestellte mittelschwere und schwere LKW. Sie nimmt die beklagte Daimler AG auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.

Nach einem Vergleich mit den Betroffenen hatte die Europäische Kommission mit Beschluss vom 19.07.2016 festgestellt, dass die Daimler AG und mindestens vier weitere Hersteller, nämlich MAN, Volvo/Renault, Iveco und DAF durch Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere LKW sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Fahrzeuge gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen haben. Für die Zuwiderhandlung, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte und vom 17.01.1997 bis zum 18.01.2011 andauerte, verhängte die EU-Kommission gegen die Daimler AG ein Bußgeld von gut einer Milliarde Euro.

Das Landgericht (LG) Magdeburg hat die vorliegend auf Schadensersatz in Höhe von 51.683,51 € gerichtete Klage gegen die Daimler AG abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg die Klage wegen der zwischen 2005 und 2011 geschlossenen elf Leasing- und Mietkaufverträge als dem Grunde nach gerechtfertigt erkannt. Wegen des 2012 geschlossenen Leasingvertrags hat es die Klage abgewiesen; insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Mit ihrer Revision verfolgt die Daimler AG ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Diese Revision hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Der BGH bestätigte, dass das OLG Naumburg mit Recht einen vorsätzlichen Verstoß der Beklagten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (Art. 81 EGV) sowie § 1 GWB festgestellt hat. Es hat zutreffend die Feststellungen im Kommissionsbeschluss für bindend erachtet und angenommen, dass die Beklagte vom 17.01.1997 bis 18.01.2011 an einer Koordinierung der Bruttolistenpreise für mittelschwere und schwere LKW beteiligt war. Das wettbewerbsbeschränkende Verhalten war geeignet, einen Schaden der Klägerin zu begründen, weil sie Leasing- und Mietkaufverträge über LKW geschlossen hat, die sachlich und zeitlich von den Absprachen erfasst waren.

Der Klägerin ist aufgrund der Kartellabsprache auch mit der für ein Grundurteil erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden. Zugunsten der Abnehmer eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens spricht der Erfahrungssatz, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten. Daraus folgt, dass auch die für kartellbetroffene Produkte von einem Leasingnehmer oder Mietkäufer an eine Finanzierungsgesellschaft zu entrichtenden Entgelte kartellbedingt überhöht sind, wenn die Leasing- oder Mietkaufverträge auf die vollständige Deckung des jeweiligen Anschaffungspreises gerichtet sind.

Aufgrund der Art und Schwere des Kartellverstoßes, der Marktabdeckung der Kartellbeteiligten im Europäischen Wirtschaftsraum von mehr als 90 % und der Aufrechterhaltung des Kartells über 14 Jahre kommt dem Erfahrungssatz bei der erforderlichen Gesamtabwägung ein erhebliches Gewicht zu. Die Daimler AG hat demgegenüber nicht erklärt, weshalb die Preiskoordinierung trotz ihrer langen Dauer wirkungslos geblieben sei. Die Gründung und Aufrechterhaltung des Kartells trotz der damit verbundenen erheblichen Risiken ist ohne eine lohnenswerte Kartellrendite nicht nachvollziehbar.

Vor diesem Hintergrund stehen die Vergleichsmarktbetrachtungen der Daimler AG, wonach nur ein insignifikanter Kartelleffekt eingetreten sein soll, für sich allein nicht der Annahme entgegen, dass jedenfalls ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist.