Verkehrssicherungspflichten in Schwimmbädern
Die zur Badeaufsicht in einem Schwimmbad eingesetzten Personen sind verpflichtet, den Badebetrieb und damit auch das Geschehen im Wasser zu beobachten und mit regelmäßigen Kontrollblicken darauf zu überprüfen, ob Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten. Dabei ist der Standort so zu wählen, dass der gesamte Schwimm- und Sprungbereich überwacht und auch in das Wasser hineingeblickt werden kann. Zu den Aufgaben der Aufsichtspersonen in einem Schwimmbad gehört es weiter, in Notfällen für rasche und wirksame Hilfeleistung zu sorgen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 23.11.2017 | Az.: III ZR 60/16 entschieden.
Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat mit Urteil vom 28.08.2017 | Aktenzeichen: 4 U 1176/17 klargestellt, dass im Nassbereich eines Schwimmbades weder eine Gummimatte ausgelegt werden muss noch spezielle Hinweise auf die Rutschgefahr erforderlich sind.
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen Schadensersatzanspruch wegen eines Badeunfalls eines zwölfjährigen Kindes in einem kommunalen Freibad, den die Eltern gegen eine Gemeinde als Freibadbetreiberin erhoben haben. Das Kind hatte sich unter Wasser mit einem Arm in dem Befestigungsseil einer Boje verfangen, die Teil der Markierung des Übergangs zwischen zwei Schwimmbereichen war. Aufgrund des Sauerstoffentzugs erlitt das Kind massive, irreparable Hirnschädigungen, ist infolgedessen schwerstbehindert und wird zeitlebens pflegebedürftig bleiben. Nach Ansicht der Eltern hätte der Badeaufsicht der Badeunfall schneller auffallen müssen. Eine bei pflichtgemäßem Handeln sofort eingeleitete Rettung hätte innerhalb von einer Minute erfolgen können und den Eintritt der gesundheitlichen Schäden verhindern können.
Land- und Oberlandesgericht Koblenz hatten die Klage zunächst abgewiesen, da die Klägerin nicht habe nachweisen können, dass ihre Gesundheitsschäden bei einer schnelleren Rettung nicht eingetreten wären. Der BGH hat nun festgestellt, dass es nicht darauf ankommt, dass die Geschädigte die behauptete Verzögerung ihrer Rettung und deren Kausalität für den Schadenseintritt nachweist. Vielmehr sei zu prüfen, wie lange es bei ordnungsgemäßer Aufsicht gedauert hätte, das Kind zu retten und ob bei Annahme der Rettung innerhalb dieser Zeit die Gesundheitsschäden hätten vermieden werden können. Soweit die letzte Frage nicht beantwortet werden könne, gehe dies nicht zu Lasten der Geschädigten, sondern zulasten der beklagten Gemeinde, sofern das Verhalten der Badeaufsicht als grob fahrlässig zu bewerten sei (Beweislastumkehr). Die Rechtslage ist in dieser Hinsicht mit der im Arzthaftungsrecht vergleichbar. Hier wie dort handelt es sich um Pflichten, die spezifisch auf den Schutz von Leben und Gesundheit gerichtet sind. Bei der groben Verletzung von Schutzpflichten bei der Schwimmaufsicht entspricht es daher – wie bei ärztlichen Pflichtverstößen – der Billigkeit, dem Geschädigten die regelmäßige Beweislastverteilung nicht mehr zuzumuten.
Das OLG Nürnberg musste sich mit einem Unfall in einer Badewelt mit angeschlossener Saunalandschaft befassen. Die Klägerin besuchte diese Anlage und schwamm nach einem Saunagang im Außenbecken. Als sie dieses wieder verlassen wollte, rutschte sie auf den Holzbrettern im Ein-/Ausstiegsbereich nach hinten weg. Durch den Sturz erlitt sie einen Zehenbruch sowie eine Prellung des Steißbeins. Sie verlangte vom Schwimmbadbetreiber ein angemessenes Schmerzensgeld sowie den Ersatz von Behandlungskosten.
Das Landgericht (LG) Regensburg hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nachzuweisen. In Schwimmbädern und Saunen gebe es viele Gefahren, denen man nicht durch eine allgegenwärtige Aufsicht begegnen könne. Das LG zeigte sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen ausreichend waren. Die Holztreppe habe eine geriffelte Struktur, um die Rutschgefahr zu verringern, und die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, zusätzlich Gummimatten auszulegen. An der Ausstiegstreppe sei ein massiver Handlauf angebracht, an welchem man sich festhalten könne. Voraussetzung sei, dass man sich nach Verlassen des Beckens umdrehe und die Treppe rückwärts hinuntergehe. Dies sei auch zumutbar, da es sich lediglich um eine Treppe mit geringer Höhe gehandelt habe. Schließlich ist es nach der Auffassung des LG auch nicht nötig, in einem unmittelbar an ein Schwimmbecken angrenzenden Bereich Schilder aufzustellen, die vor möglicher Rutschgefahr durch Nässe warnen.
Gegen dieses Urteil des LG hat die Klägerin Berufung beim OLG Nürnberg eingelegt, das die Berufung aber zurückgewiesen hat. Das Urteil des LG Regensburg ist nach Auffassung des OLG Nürnberg nicht zu beanstanden. Im Rahmen einer Verkehrssicherungspflicht müssten nach ständiger Rechtsprechung nur diejenigen Gefahren ausgeräumt werden, welche für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lasse, nicht oder nicht ohne weiteres erkennbar seien. Eine vollständige Gefahrlosigkeit könne hingegen nicht verlangt werden. Sicherheitsmaßnahmen seien insbesondere dann entbehrlich, wenn die Gefahrenquelle sozusagen „vor sich selbst warne“. Im Nassbereich eines Schwimmbeckens müsse immer damit gerechnet werden, dass der Boden aufgrund der Nässe rutschig sei. Die Beklagte habe durch den gewählten Bodenbelag sowie den angebrachten massiven Handlauf ausreichende Maßnahmen zur Vorbeugung gegen mögliches Ausrutschen getroffen.