Unterschiedliche Grundversorgungspreise für Bestands- und Neukunden Landeskartellbehörde NRW bejaht Zulässigkeit

Vor dem Hintergrund der Preisentwicklungen an den Energiemärkten werden differenzierte Grundversorgungspreise für Bestands- und Neukunden diskutiert. Die Rechtslage ist aber nicht abschließend geklärt. Die Landeskartellbehörde NRW bejaht deren Zulässigkeit, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Grundversorger nicht zu gefährden.

Die aktuellen Preisentwicklungen an den Energiemärkten zeigen Wirkung. Sie haben u.a. bereits dazu geführt, dass erste Energielieferanten in wirtschaftliche Bedrängnis geraten sind, die Neukundenbelieferung gestoppt und Bestandsverträge gekündigt haben. Soweit diese Kunden vom örtlichen Grundversorger, vielfach kommunalen Stadtwerken, versorgt werden müssen, muss hierfür von den Grundversorgern kurzfristig Energie für diese bisher in der Beschaffung ungeplanten Kunden eingekauft werden. Um die damit verbundenen Kosten verursachungsgerecht an diese Neukunden weitergeben zu können, haben sich einige Grundversorger noch im November dazu entschieden, zwischen Bestands- und Neukunden zu differenzieren. Andere Grundversorger überlegen – je nach Markt- und Kundenentwicklung – hierauf noch kurzfristig zu reagieren. Aber: Ist das zulässig? Diese Frage wird aktuell in der juristischen Fachwelt kontrovers diskutiert.

Um es vorweg zu nehmen: Es ist juristisches Neuland. Bislang gibt es zu dieser Gestaltungsoption noch keine Rechtsprechung, die eine abschließende Beurteilung erlaubt. Fazit: Es besteht ein rechtliches Risiko bei der Wahl dieser Option.

Nur die Landeskartellbehörde NRW hat im November in einer ersten Kurzbewertung auf Anfrage eines Stadtwerks die energie- und kartellrechtliche Zulässigkeit einer solchen Preisdifferenzierung bejaht. Sie macht deutlich, dass die Grundversorger als Versorger letzter Instanz dazu verpflichtet sind, die Versorgung aller, insbesondere schutzbedürftiger Haushaltskunden, mit Energie sicherzustellen. Die Grundversorger unterliegen daher dem sog. Kontrahierungszwang. Diese Rechtslage machten sich letztendlich auch die Energielieferanten zunutze, die nunmehr die Belieferung ihrer Kunden aus Kostengründen einstellen. Deren wirtschaftliches Risiko tragen nunmehr die Grundversorger. Verwehre man es daher dem Grundversorger nun auf die steigenden Preise im Rahmen der Beschaffung von Primärenergie nicht in Form einer Preisspaltung für Neukunden zu reagieren, so könne dies nach Auffassung der Landeskartellbehörde NRW eine verfassungswidrige Ausgestaltung der Grundversorgungspflicht sein.

Auch der VKU hat in seiner rechtlichen Bewertung dieser Gestaltungsoption etliche gute Argumente für deren Zulässigkeit genannt. Insbesondere bestehe kartellrechtlich keine „Solidargemeinschaft“ aller Bestands- und Neukunden des marktbeherrschenden Grundversorgers. Der sei nur gehindert, Preise zu verlangen, die er bei bestehendem funktionierendem Wettbewerb nicht erzielen könne. Unterschiedliche Preise für Kunden, die zu unterschiedlichen Zeiten abschließen, seien allerdings nichts, was nicht auch bei funktionierendem Wettbewerb anzutreffen wäre, wie z.B. Frühbucherrabatte. Vielmehr sei dies sogar eine klassische Art, die Auslastung von Kapazitäten zu steuern und Beschaffungsrisiken zu minimieren. Zudem sei die BGH-Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle von Preisänderungen zu beachten. Die Verpflichtung, die Bezugskosten im Interesse der Kunden niedrig zu halten und nach Möglichkeit die günstigste Beschaffungsalternative zu wählen, könne es daher durchaus verbieten, die Kosten für eine kurzfristig notwendig werdende Energiebeschaffung für eine unbekannte Anzahl zu erwartender Neukunden in der Grundversorgung über eine Preiserhöhung an Bestandskunden weiterzugeben.