Schadensersatz für Aufwendungen des Best-Bieters nach Aufhebung einer Ausschreibung BGH lehnt Ersatz des entgangenen Gewinns des Bieters ab

Der BGH hat mit Urteil vom 08.12.2020 | Az.: XIII ZR 19/19 festgestellt, dass öffentliche Auftraggeber, die eine Ausschreibung ohne Vorliegen eines Aufhebungsgrundes nach § 17 VOB/A aufheben, dem Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre, grundsätzlich nur die Aufwendungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren ersetzen müssen.

In dem Verfahren hatte die Beklagte im Jahr 2016 die schlüsselfertige Errichtung eines Mehrfamilienhauses zur Unterbringung von Flüchtlingen ausgeschrieben. Das günstigste Angebot hatte die Klägerin abgegeben. Eine Verlängerung der Angebotsbindefrist lehnte die Klägerin ab. Die Beklagte hob sodann am 08.06.2016 die Ausschreibung wegen Wegfall des Beschaffungsbedarfs auf. Am 29.09.2016 forderte die Beklagte erneute zur Abgabe von Angeboten zur Errichtung eines entsprechenden Bauprojekts in derselben Lage auf. Diesmal erhielt ein Dritter mit einem günstigeren Angebot den Zuschlag. Die Klägerin erhob Klage auf Schadensersatz wegen der mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen und wegen entgangenen Gewinns.

Anders als die Berufungsinstanz sah der BGH die Voraussetzungen, unter denen der Schadensersatzanspruch des „Best-Bieters“ auch den entgangenen Gewinn umfasst, nicht als erfüllt an.

Das Vergaberecht schütze grundsätzlich nur das Recht des Bieters auf Teilhabe am Vergabeverfahren und Wahrung seiner Chance bei der Auftragsvergabe, so der BGH.

Ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns komme nur dann in Betracht, wenn das Vergabeverfahren mit einem Zuschlag abgeschlossen werde, der Zuschlag jedoch nicht demjenigen Bieter erteilt werde, auf dessen Angebot er bei Beachtung der maßgeblichen vergaberechtlichen Vorschriften allein hätte erteilt werden dürfen. Nur in diesem Fall verdichte sich der Teilhabeanspruch zu einem Anspruch auf Schadensersatz für den entgangenen, aber tatsächlich anderweitig erteilten Zuschlag. Der Bieter, der diesen Zuschlag hätte erhalten müssen, sei dann wirtschaftlich so zu stellen, wie er gestanden hätte, wäre der Auftrag ihm und nicht dem Dritten erteilt worden wäre.

Dem Abschluss eines Vergabeverfahrens mit dem Zuschlag an den "falschen" Bieter stehe es gleich, wenn der öffentliche Auftraggeber ein wirtschaftlich und wertungsmäßig entsprechendes Ergebnis dadurch herbeiführe, dass er die Ausschreibung ohne Vorliegen eines Aufhebungsgrundes aufhebt, und den Auftrag außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens oder in einem weiteren Vergabeverfahren an einen Bieter vergibt, an den der Auftrag nach dem Ergebnis des aufgehobenen wettbewerblichen Verfahrens nicht hätte vergeben werden dürfen.

Ein Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses bestehe somit dann, wenn der später vergebene Auftrag bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand betreffe und die Auftragsvergabe als Zuschlag im ersten Vergabeverfahren an einen in diesem Verfahren nicht zuschlagsberechtigten Bieter anzusehen sei. Dies sei der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber die Ausschreibung nicht aus sachlichen und willkürfreien Gründen aufhebe, sondern die Aufhebung gerade deshalb erfolge, um den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen anderen Bieter vergeben zu können.

Im vorliegenden Fall habe das Berufungsgericht aber nicht festgestellt, dass die Beklagte die erste Ausschreibung aufgehoben habe, um den Auftrag an einen anderen Bieter vergeben zu können. Vielmehr habe die Beklagte zwischenzeitlich, wenn auch aus nicht aus zutreffenden Gründen, angenommen, dass der Beschaffungsbedarf entfalle. Das Verhalten der Beklagten zielte somit nicht auf die Vergabe an einen in dem aufgehobenen Verfahren nicht zuschlagsberechtigten Auftragnehmer, sondern auf Zeitgewinn, wie ihre Bitte auf Verlängerung der Bindungsfrist zeige.

Der Schadensersatzanspruch beschränke sich somit auf den Ersatz der Aufwendungen. Dazu zählten die Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren einschließlich der anteiligen Personalkosten. Hinsichtlich der Personalkosten müsse der Bieter nicht nachweisen, dass er sein Personal nicht anderweitig hätte einsetzen können.

Hinzuweisen ist noch auf die entsprechenden Vorgaben der anderen vergaberechtlichen Verfahrensordnungen: Bei der Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen wird die Aufhebung durch § 63 der Vergabeverordnung (VgV) sowie § 48 der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) entsprechend geregelt. Für die Beschaffung in den Sektoren der Energie- und der Trinkwasserversorgung sowie des Verkehrs enthält § 57 der Sektorenverordnung eine Regelung, die allerdings anders als die vorgenannten Normen keine bestimmten Aufhebungsgründe vorsieht. Dennoch können Bieter wohl auch i.V.m. § 57 SektVO entsprechende Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn eine Ausschreibung nicht aus objektiv nachvollziehbaren Gründen aufgehoben wird.