Keine unmittelbare Anwendung der Gas-Richtlinie auf Preisänderungen in der Grundversorgung EuGH verkündet wichtige Grundsatzentscheidung

Preisänderungen in der Gasgrundversorgung zur Weitergabe des Anstiegs der Bezugskosten ohne Gewinnerzielungsabsicht waren in der Zeit zwischen dem 01.07.2004 und dem 29.10.2014 nicht allein deswegen unwirksam, weil der Kunde hierüber nicht persönlich vorab informiert wurde.

Das EuGH-Urteil vom 02.04.2020 in der Rechtssache C-765/18 betrifft ein sog. Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts (LG) Koblenz. Dieses muss in einem Rechtsstreit zwischen einem Stadtwerk und einem Gaskunden über die Wirksamkeit von Gaspreis-änderungen zwischen April 2005 und September 2011 entscheiden. Das LG Koblenz war der Auffassung, dass der Wirksamkeit der Gaspreisänderungen die unterbliebene vorherige rechtzeitige und unmittelbare Information des Kunden entgegenstand. Die alleinige öffentliche Bekanntgabe der Preisänderungen sei nicht ausreichend gewesen, weil die Transparenz- und Informationspflichten nach der Gas-Richtlinie 2003/ 55/EG unmittelbar anzuwenden gewesen wären.

Da der Bundesgerichtshof (BGH) diese Frage bislang immer verneint hat, hat das LG Koblenz sie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der EuGH bereits am 23.10.2014 entschieden hatte, dass Gaskunden rechtzeitig vor dem Inkrafttreten einer Preisänderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden müssen. Da aber weder die vormalige AVBGasV noch ab 2006 die GasGVV dies vorsahen, verstießen sie gegen die Richtlinien-Vorgaben. Mit den nachfolgend am 30.10.2014 in Kraft getretenen Änderungen der GasGVV wurde dieser Verstoß mit Wirkung für die Zukunft geheilt.

Der BGH hatte hiernach 2015 entschieden, dass die Grundversorger trotz eines fehlenden gesetzlichen Preisänderungsrechts in der Zeit vom 01.07.2004 bis zum 29.10.2014 aufgrund einer gebotenen, sog. ergänzenden Vertragsauslegung des Energielieferungsvertrages berechtigt waren, Steigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen ausgeglichen werden können, an die Kunden weiterzugeben. Dieses wirtschaftliche Interesse des Grundversorgers hatte nämlich auch der EuGH in seinem Urteil vom 23.10.2014 hervorgehoben.

Dies hat der EuGH nun in seinem Urteil grundsätzlich bestätigt. Allerdings musste das Unterbleiben einer persönlichen Mitteilung einer Preisänderung nach dem EuGH dadurch kompensiert werden, dass der Kunde den Vertrag bei einer Preisänderung jederzeit kündigen oder Schadensersatz verlangen konnte, weil er ggf. nicht die Möglichkeit hatte, rechtzeitig zu einem Lieferanten mit einem günstigeren Tarif zu wechseln. Das LG Koblenz muss dies nun im Streitfall prüfen und entscheiden.