Kein Gratisstrom im Schweinestall OLG Düsseldorf: Landwirt muss Stromnetzbetreiber bezahlen

Das OLG Düsseldorf hat einen Landwirt dem Grunde nach verurteilt, dem örtlich zuständigen Stromnetzbetreiber Aufwendungsersatz für den jahrelangen vertragslosen Stromverbrauch in seinem Schweinestall zu zahlen. Das Grundstück des Landwirts hatte mehrere Entnahmestellen, von denen nur eine einem Stromlieferanten zugeordnet war.

Das OLG Düsseldorf hat mit – bisher nicht veröffentlichtem - Grundurteil vom 10.02.2021 l Az.: I-27 U 19/19 entschieden, dass ein Landwirt aus Ostwestfalen dem Grunde nach verpflichtet ist, dem örtlich zuständigen Stromnetzbetreiber Aufwendungsersatz für den jahrelangen vertragslosen Stromverbrauch in seinem Schweinestall zu zahlen. Die exakte Höhe des Anspruchs ist noch zu klären. Weil es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu Fällen vergleichbarer Art gibt, ließ das Gericht die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zu.

Der beklagte Landwirt hatte für seinen Schweinestall jahrelang Strom aus dem Niederspannungsnetz des klagenden Stromnetzbetreibers bezogen, ohne dass ein Stromversorgungsvertrag mit einem Stromlieferanten bestand oder es jemandem auffiel. Der Schweinestall war nur eine von mehreren mit einem eigenen Zähler ausgestatteten Verbrauchsstellen des Landwirts. Der Stromnetzbetreiber begehrte vom Landwirt Ersatz für die Stromverluste in seinem Netz, die er jahrelang hatte ausgleichen müssen. Der Landwirt lehnte die Zahlung ab. Während das LG Dortmund die Klage noch abgewiesen hatte, gab das OLG dem Stromnetzbetreiber dem Grunde nach Recht und bejahte einen Aufwendungsersatzanspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Stromnetzbetreiber habe mit der ununterbrochenen Hinnahme von Stromentnahmen an der betreffenden Anschlussstelle ein Geschäft auch für den Beklagten geführt. Er habe, anstatt den Anschluss zu sperren, seine Stromnetzinfrastruktur und die Netzfunktion weiterhin in einer Weise aufrechterhalten, die es dem Landwirt ermöglichte, für die Verbrauchsstelle kontinuierlich Strom zu beziehen. Das sei ihm zugutegekommen. Ein Fremdgeschäftsführungswille werde in einem solchen Fall vermutet. Die Übernahme der Geschäftsführung habe auch dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Landwirts entsprochen, weil nur ohne Anschlusssperre und durch die Aufrechterhaltung der Netzfunktion die ununterbrochene Versorgung der Verbrauchsstelle mit Strom sichergestellt gewesen sei. Als Aufwendungen für die Geschäftsführung, die der Stromnetzbetreiber nach den Umständen für erforderlich halten durfte, kämen solche für den Ausgleich der Energieverluste in seinem Netz in Betracht, die auf die Stromentnahmen des Landwirts zurückzuführen sind. Die Ansicht des Stromnetzbetreibers, er könne gegenüber dem Landwirt für die verbrauchten Strommengen einen bestimmten Tarif abrechnen, erscheine dem Gericht aber zweifelhaft.

Erwähnenswert sind auch die Ausführungen, mit denen das Gericht die vom Landwirt und der beteiligten Bundesnetzagentur (BNetzA) vorgebrachten Argumente gegen Zahlungsansprüche des Stromnetzbetreibers zurückweist. Das Zustandekommen eines Grundversorgungsverhältnisses kam aufgrund der vom Landwirt entnommenen jeweiligen Jahresstrommengen von weit über 10.000 kWh nicht in Betracht. Das mit dem örtlichen Grundversorger begründete Ersatzversorgungsverhältnis für die Verbrauchsstelle habe bereits nach drei Monaten kraft Gesetzes wieder sein Ende gefunden. Die hiervon möglicherweise abweichende Rechtsansicht der beteiligten BNetzA, die annehme, dass der betreffende Kunde solange noch dem Ersatzversorger zuzuordnen sei, bis Letzterer gegebenenfalls die Sperre des Anschlusses betreibe, sei nach Ansicht des Gerichts mit dem Gesetzeswortlaut des § 38 Abs. 2 Satz 1 EnWG nicht in Einklang zu bringen. Auch könnten die, zwischenzeitlich vom BGH bestätigten, Grundsätze über die bilanzielle Zuordnung von Marktlokationen zum Grundversorger keine Anwendung finden. Bei dem Landwirt handle es sich gerade nicht um einen Haushaltskunden und damit grundversorgungsberechtigten Letztverbraucher. Auch die Entflechtungsvorschriften der §§ 6 ff. EnWG stünden Ansprüchen des Stromnetzbetreibers nicht entgegen. Die Duldung oder unterlassene Unterbindung der Entnahme von Strom durch den Verteilnetzbetreiber an der von ihm kontrollierten Anschlussstelle sei mit einem vertraglichen Lieferverhältnis nicht gleichzusetzen. Der Verteilnetzbetreiber werde dadurch nicht zum Stromlieferanten. Er begebe sich nicht in ein Lieferverhältnis mit dem Netznutzer, sondern müsse die Stromentnahme zunächst sogar unabhängig von seinem Willen hinnehmen. Der ohne jegliche vertragliche Grundlage Strom aus einem Netz entnehmende Netznutzer seinerseits nehme gar nicht am Strommarkt teil, sondern habe über den genutzten Netzanschluss nur noch eine Rechtsbeziehung zum Netzbetreiber.