Grundversorger soll bilanziell für abgelehnte Kunden verantwortlich sein Grundsatzentscheidung der Bundesnetzagentur wird noch gerichtlich überprüft

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat mit nicht bestandskräftigen Beschluss entschieden, dass Entnahmestellen trotz Ablehnung der Grundversorgung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit bilanziell dem Grundversorger zuzuordnen sind. Der Grundversorger soll das finanzielle Risiko einer weiteren Stromentnahme und Unterbrechung der Versorgung tragen. Das OLG Düsseldorf wird diesen Beschluss aber noch überprüfen.

Ein Grund-/Ersatzversorger ist nach den §§ 36, 38 EnWG grundsätzlich zur Energiebelieferung von Haushaltskunden bzw. Letztverbrauchern in Niederspannung und Niederdruck verpflichtet. Er darf die Grund-/Ersatzversorgung nur ablehnen, wenn ihm diese aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Typischerweise ist die Versorgung wirtschaftlich unzumutbar, wenn der betroffene Kunde zahlungsunwillig ist oder aus früheren Versorgungsverhältnissen Zahlungsrückstände beim Grund-/Ersatzversorger hat. Lehnt der Grund-/Ersatzversorger die Versorgung eines Kunden wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit ab, muss der Netzbetreiber prüfen, wem er die entnommenen Strommengen bilanziell zuordnen kann. Meldet kein anderer Energielieferant die betroffene Marktlokation beim Netzbetreiber zur Versorgung an und hat auch der Grundversorger nicht die Unterbrechung der Versorgung der betroffenen Marktlokation beim Netzbetreiber beauftragt, stellt sich die Frage, wie mit den trotz Ablehnung entnommenen Strommengen bilanziell zu verfahren ist.

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat mit nicht bestandskräftigem Beschluss vom 26.03.2018 (Az.: BK6-16-161) eine Grundsatzentscheidung über die generelle Rollen- und Risikoverteilung zwischen dem Netzbetreiber und dem Grund- und Ersatzversorger mit Blick auf zahlungsunwillige oder –unfähige Kunden getroffen. Streitig war in dem vorliegenden Fall, wer das Risiko einer Weiterbelieferung solcher Kunden nach Ablauf der Dreimonatsfrist für die Ersatzversorgung trägt, wer ggf. eine Sperrung veranlassen muss und damit neben den häufig uneinbringlichen Kosten für die gelieferte Energie die Kosten der Sperrung bzw. erfolgloser Sperrversuche tragen muss. Nach Auffassung der BNetzA verstoße ein Grund-/Ersatzversorger gegen die ihm obliegende Pflicht gesetzliche Pflicht (§ 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV, §§ 20 Abs. 1, 36, 38 EnWG), indem er grundversorgungsfähige Letztverbraucher aus der Ersatzversorgung aktiv abmeldet und eine unmittelbar darauf folgende Neuanmeldung in die Grundversorgung ohne vorherige Versorgungsunterbrechung der jeweiligen Letztverbraucher ablehnt. Die Abmeldung der betroffenen Marktlokation aus dem Bilanzkreis des Grundversorgers könne erst dann erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der Abmeldung eine Anmeldung zu einem anderen Bilanzkreis (z. B. aufgrund einer vertraglichen Lieferbeziehung) greift oder eine (vom Grundversorger beim Netzbetreiber beauftragte) aktive Versorgungsunterbrechung sicherstellt, dass kein Zuordnungsbedürfnis und somit durch die Abmeldung keine Zuordnungslücke entsteht. Ist dies nicht der Fall, müsse der Grundversorger bilanziell für die entnommenen Strommengen verantwortlich bleiben. Der betroffene Grundversorger hat gegen den BNetzA-Beschluss Beschwerde zum OLG Düsseldorf eingelegt.

Die BNetzA begründet ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die die Zuweisung des damit verbundenen finanziellen Risikos an den Grundversorger der gesetzlichen Wertung der §§ 36, 38 EnWG entnommen werden könne. Dem Grundversorger stehe ihm im Rahmen der jeweiligen Vertrags- bzw. Rechtsbeziehung immer auch die Möglichkeit offen, selbst aktiv eine Versorgungsunterbrechung im Sinne des § 19 StromGVV zu beauftragen und somit ein weiteres Anhäufen von Zahlungsrückständen zu verhindern. Die Beauftragung einer Sperrung sei der Betroffenen dabei regelmäßig, wie auch in den zugrundeliegenden Sachverhalten, zumutbar. Auch wenn eine gesetzliche Pflicht zur Sperrung nicht bestehe, liege es regelmäßig im eigenen Interesse des Grundversorgers, eine faktische Stromentnahme, durch die ein Zuordnungsbedürfnis geschaffen werde, zu unterbinden. Dies gelte vor allem auch, um eine weitere bilanzielle Zuordnung ausschließen zu können. Das hierdurch bestehende finanzielle Risiko könne der Grundversorger durch eine entsprechende Festsetzung der allgemeinen Preise und Bedingungen abmildern. Wegen Ausübung des Ablehnungsrechts gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG komme möglicherweise kein erneuter Grundversorgungsvertrag zustande. Der Grundversorger sei trotz Fehlen einer vertraglichen Anspruchsgrundlage gegenüber dem Anschlussnutzer nicht anspruchslos. Vielmehr könne er hierfür Ersatz nach den allgemeinen zivilrechtlichen Ausgleichsregeln verlangen. Parallel dazu sei auch dieses Risiko aufgrund von Erfahrungswerten in gewissem Maße absehbar und könne somit entsprechend in der Preisbildung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG berücksichtigt werden. Das Ablehnungsrecht wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG sei im Rahmen der bilanziellen Zuordnung irrelevant.

Die Zuordnung der an der betreffenden Marktlokation entnommenen Strommengen zum Netzbetreiber sei unzulässig. Der Netzbetreiber sei verpflichtet, seinen Tätigkeitsbereich, namentlich den Netzbetrieb, von anderen Bereichen der Strombelieferung abzugrenzen. Dies ergebe sich aus dem Grundgedanken der Entflechtung und explizit aus den im EnWG normierten Entflechtungsvorgaben. Er verantworte lediglich die gesetzlich explizit aufgeführten Bilanzkreise für Verlustenergie und Energie nach dem EEG sowie einen Differenzbilanzkreis. Energiemengen, die diesen Bilanzkreisen nicht zugeordnet werden können, müssten somit vom Netzbetreiber einem Bilanzkreisverantwortlichen zugewiesen werden, dessen Tätigkeitsbereich vom Netzbetrieb ausreichend entflochten ist. Auch habe der Netzbetreiber in vorliegenden Fällen kein Sperrrecht. Aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 1, 2 NAV ergebe sich, dass eine Versorgungsunterbrechung durch den Netzbetreiber aus dessen eigenem Recht eine konkrete Zuwiderhandlung des Anschlussnehmers aus dem Anschlussnutzungsverhältnis gegenüber dem Netzbetreiber voraussetzt. Dieses sei im Falle grundversorgter Letztverbraucher regelmäßig nicht der Fall.

Auch die Handlungsanweisungen der GPKE stünden einer fortlaufenden bzw. erneuten Zuordnung zum Bilanzkreis der Betroffenen nicht entgegen. Die Vorgaben der GPKE für den Fall einer berechtigten Abmeldung vermögen daran nichts zu ändern. Würde die Abmeldung vom Netzbetreiber zunächst akzeptiert und entsprechend umgesetzt, würde nach den GPKE-Vorgaben unmittelbar darauf eine erneute Meldung in den Bilanzkreis des Ersatz-/Grundversorgers folgen, die dieser mangels Versorgungsunterbrechung akzeptieren müsste. Diese Handlungsanweisung der GPKE setze voraus, dass der Ersatz-/Grundversorger das Lieferende der Ersatzversorgung melden darf. Sie treffe jedoch regelmäßig keine Aussage dazu, ob die jeweilige Marktpartei tatsächlich dazu berechtigt ist, die Abmeldung vorzunehmen. Die Ablehnung sei mangels aktiver Versorgungsunterbrechung aus energiewirtschaftlichen bzw. bilanzierungsrechtlichen und entflechtungsrechtlichen Gründen unzulässig. Zumindest sei sie nicht zielführend und wäre zudem rein formalistisch, wenn unmittelbar anschließend eine erneute Meldung in den Bilanzkreis des Ersatz-/Grundversorgers ohnehin zu akzeptieren wäre.

Der BNetzA-Beschluss ist rechtlich zweifelhaft. Insbesondere ist die Annahme, dass aus der gesetzlichen Wertung der §§ 36, 38 EnWG folge, dass der Grundversorger trotz Ablehnung der Versorgung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit bilanziell für die entnommenen Strommengen verantwortlich ist, nicht überzeugend. Dies würde dazu führen, dass der Grundversorger trotz gesetzlichem Recht, die Versorgung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit abzulehnen, aufgrund der weiteren bilanziellen Zuordnung der betroffenen Entnahmestelle faktisch den Kunden ohne Rechtsgrund weiter beliefert. Im Ergebnis bzw. wirtschaftlich betrachtet kommt das einer Pflicht zur Versorgung von „Kunden mit Altschulden“ sehr nahe und höhlt damit das im EnWG verankerte Ablehnungsrecht wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit aus. Nach der gesetzlichen Wertung der §§ 36, 38 EnWG dürfen abgelehnte Entnahmestellen gerade nicht bilanziell dem Grundversorger zugeordnet werden. Die Marktkommunikationsvorgaben der BNetzA stehen dem nicht entgegen. Wenn dies der Fall sein sollte, müssten sie gesetzeskonform ausgelegt werden, da sie der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben dienen und diesen nicht widersprechen dürfen. Die BNetzA verkennt auch, dass in vorliegenden Fällen das für ein Anschlussnutzungsverhältnis und die Anwendbarkeit der NAV nach deren § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zwingend erforderliches Liefervertrags- oder Ersatzversorgungsverhältnis nicht (mehr) vorhanden ist. Damit ist der Netzbetreiber ohne Weiteres berechtigt, die betroffene Entnahmestelle zu sperren. Allein die Tatsache, dass kein spezieller Bilanzkreis für die nicht einem Lieferanten zuzuordnenden entnommenen Strommengen vorgesehen ist, kann nichts Gegenteiliges folgen.