Expertenmehrheit gegen Verbot von Stromsperren Anhörung im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie
Stromsperren wegen Zahlungsrückständen möglichst vermeiden, aber als allerletztes Mittel weiterhin zulassen. Darin waren sich die Sachverständigen bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Ausschusses für Wirtschaft und Energie am 15.01.2020 einig. Der Anhörung lagen Anträgen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE zugrunde.
DIE LINKE will Stromsperren gesetzlich verbieten lassen. Die Versorgung mit Strom müsse als Grundrecht jedes Bürgers anerkannt und sichergestellt werden, erklären die Abgeordneten in ihrem Antrag 19/14334. Sie sei eine Grundvoraussetzung für ein menschenwürdiges Wohnen und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Daher müsse die Bundesregierung unverzüglich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Außerdem sollten durch eine Neuregelung der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) Stromsperren aufgrund von Zahlungsunfähigkeit von Verbrauchern gesetzlich untersagt werden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert in seinem Antrag 19/9958, die Energieversorgung für alle zu garantieren und Stromsperren grundsätzlich zu verhindern. Energiearmut sei ein zunehmendes Problem für viele Haushalte in Deutschland, die Zahl der Stromsperren habe im Jahr 2017 bei knapp 344.000 gelegen. Für die Betroffenen seien nicht nur die alltäglichen Folgen solcher Sperren eklatant, sie würden dadurch auch in eine Schuldenspirale geraten, die das Risiko, erneut mit einer Energiesperre belegt zu werden, erhöhe. Die Grünen verlangen deshalb unter anderem eine aus dem Regelsatz der Grundsicherung ausgelagerte Stromkostenpauschale, die sicherstellt, dass die tatsächlichen Kosten auch abgedeckt werden. Außerdem plädieren sie für präventive Beratung und eine bessere Schuldnerberatung für Menschen mit geringem Einkommen.
Die Sachverständigen, u.a. von der Stadtwerke München GmbH und der RheinEnergie AG, machten in der Anhörung deutlich, dass frühzeitige Hilfen für Betroffene unter Beteiligung relevanter Akteure das Entstehen von Energieschulden begrenzen oder verhindern könnten. Darum sei eine Kooperation aller Akteure wie Jobcenter, Sozialamt, Schuldnerberatung sowie Wohlfahrtsverbände, Verbraucherzentralen und Energieversorger enorm wichtig. Die gültigen gesetzlichen Regelungen reichten aus. Die Ungleichbehandlung von Strom und Wärme in den sozialen Sicherungssystemen müsse abgeschafft werden. Die Erstattung der Stromkosten für Grundsicherungs- und Wohngeldbezieher müsse daher wie bei den Heizkosten in tatsächlicher Höhe erfolgen.
Grundversorgern sei eine Bonitätsprüfung meist nicht möglich. Auch könnten sie in den seltensten Fällen Kunden ablehnen. Deshalb müsse als Ultima Ratio eine Sperrung des Anschlusses möglich sein, wenn der Kunde seinen Vertragspflichten nicht nachkomme. Ein Verbot von Stromsperren wegen Zahlungsunfähigkeit hätte zur Folge, dass die Einnahmeverluste auf die zahlenden Verbraucher umzulegen wären. Dadurch erhöhe sich wiederum die Belastung einkommensschwacher Haushalte in der Grundversorgung. So entstünde ein „Spiraleffekt“. Es gehe daher in erster Linie um Änderungen im Sozialrecht, nicht um Energierecht.
Dies bestätigt der VKU: Die soziale Grundsicherung einschließlich der Kosten der Energieversorgung ist eine originäre Aufgabe des Staates. Gesetzliche Regelungen zur Vermeidung oder Minderung von Stromsperren müssen daher im Sozialrecht und nicht im Energierecht angelegt sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt es kein Recht auf eine kostenlose Energieversorgung. Die Energieversorgung beruht auf dem Grundsatz von Leistung und Gegenleistung. Kunden müssen daher auch eigenverantwortlich und rechtzeitig von sich aus aktiv werden, um die Abwendung einer drohenden Stromsperre zu erreichen. Es ist nicht Aufgabe des Grundversorgers die Zahlungsfähigkeit des Kunden zu gewährleisten. Vielmehr muss sich der Kunde um die Gewährleistung seiner Zahlungsfähigkeit kümmern. Dies betrifft sowohl die Inanspruchnahme von externen Beratungs- und Hilfsangeboten als auch die Kommunikation mit dem Stromversorger. Gerade die Grundversorger sind regelmäßig bereit, angemessene Ratenzahlungsvereinbarungen zur Abwendung von Stromsperren zu ermöglichen.