Einspeisevorrang nach dem EEG auch für Strom aus gemischten Bioabfällen? Bundesgerichtshof befragt Europäischen Gerichtshof
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob auch für solche Strommengen, die durch thermische Verwertung von teilweise biologisch abbaubaren Abfällen erzeugt werden, gegenüber rein konventionell erzeugten Strommengen Vorrang bei der Einspeisung in das Stromnetz zu gewähren ist.
In diesem dem Vorlagebeschluss durch den BGH vom 06.07.2021 | Az.: EnZR 27/20 zugrundeliegenden Fall betreibt die Klägerin eine thermische Abfallverwertungsanlage, mit der sie Strom und Wärme aus Abfällen aus Industrie und Haushalten erzeugt. Dabei verwertet die Klägerin einen biogenen Anteil, dessen Höhe variiert und bis zu 50 % der insgesamt verwerteten Inhaltsstoffe betragen soll. Die Klägerin speist die Strommengen in das von der Beklagten betriebene Stromnetz ein. Wegen Netzengpässen hatte die Beklagte die Klägerin mehrere Male aufgefordert, die Stromeinspeisung abzuregeln. Die Klägerin macht daher gegenüber der Beklagten Entschädigungsansprüche geltend, die sie auf die sog. Härtefallregelung nach dem EEG stützt.
Das OLG Naumburg hatte in der Berufungsinstanz Zahlungsansprüche der Klägerin nach der Härtefallregelung gemäß § 12 Abs. 1 EEG 2009, § 12 Abs. 1 EEG 2012 und § 15 Abs. 1 EEG 2014 verneint. Da der in der Anlage der Klägerin erzeugte Strom nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen werde, sei die Anlage nicht als "Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien" im Sinne der Härtefallregelung einzuordnen und die Klägerin schon daher nicht anspruchsberechtigt.
Der BGH wirft nun die Frage auf, ob eine Anlage, die gemischte Abfälle mit variablen Anteilen biologisch abbaubarer Abfälle verwertet, unter den Begriff der EEG-Anlage im Sinne der Härtefallregelung fällt. Jedenfalls sei das Vorliegen einer solchen Anlage nicht ohne Weiteres deswegen auszuschließen, weil die Anlage der Klägerin Strom nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern erzeuge.
Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass das EEG die europäische Richtlinie 2001/77/EG zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt umsetze. Diese Richtlinie definiere "Strom aus erneuerbaren Energiequellen" in Artikel 2 Buchstabe c) als Strom, der in Anlagen erzeugt werde, die ausschließlich erneuerbare Energiequellen nutzten, sowie als den Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Hybridanlagen, die auch konventionelle Energieträger einsetzten.
Im EEG werde seither unterschieden zwischen der Verpflichtung zur Vergütung und Förderung einerseits, die sich am Ausschließlichkeitsprinzip orientiere (vgl. § 16 Abs. 1 EEG 2009 und EEG 2012, § 19 Abs. 1 EEG 2014), und den Regelungen zur Anschluss-, Abnahme-, Übertragungs- und Verteilungspflicht andererseits (§§ 5, 8 und 11 EEG 2009 sowie EEG 2012, §§ 8, 11 und 14 EEG 2014), die für sämtliche Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im Sinne der Richtlinie 2001/77/EG gelten. Die Frage, welches Verständnis des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen für die Härtefallregelung anzuwenden sei, müsse nun der EuGH beantworten.
Konkret möchte der BGH daher die Frage beantworten lassen, ob auch solchen Erzeugungsanlagen Vorrang bei der Stromeinspeisung in das Netz zu gewähren ist, in denen Elektrizität durch thermische Verwertung von gemischten Abfällen mit variablen Anteilen biologisch abbaubarer Abfälle aus Industrie und Haushalten erzeugt wird.
Fraglich sei dabei auch, ob der Einspeisevorrang, sofern er denn in entsprechenden Fällen besteht, von der Höhe des eingesetzten Anteils biologisch abbaubarer Abfälle abhängt, ob es eine Erheblichkeitsschwelle für diesen Anteil gibt und wie diese Schwelle zu bestimmen ist. Zudem sei zu klären, ob ein möglicher Einspeisevorrang für die betreffenden Strommengen insgesamt anzuwenden ist oder nur für die Anteile, die aus der Verwertung erneuerbarer Energiequellen resultieren.