Durchsetzung der Unterbrechung der Stromversorgung durch den Gerichtsvollzieher Durchführung setzt Mitgewahrsam oder Zutrittsrecht des Kunden voraus

Ein Titel, der den Schuldner verpflichtet, Zutritt zu einem Stromzähler zu gewähren und dessen Wegnahme zu dulden, kann insgesamt durch Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers vollstreckt werden. Es ist aber erforderlich, dass der Schuldner Mitgewahrsam am Raum oder zumindest Zutritt hierzu hat – so der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 17.06.2021.

Die Gläubigerin - ein Energieversorgungsunternehmen – betrieb die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil, durch das der Schuldner verurteilt wurde, einem mit einem Ausweis versehenen Mitarbeiter oder Beauftragten der Gläubigerin als Netzbetreiber Zutritt zur Stromabnahmestelle in einer Verbrauchsstelle zu gewähren und die Sperrung der Abnahmestelle durch Hinwegnahme des Stromzählers zu dulden. An der im Urteil genannten Adresse befindet sich ein Mehrfamilienhaus, in dem der Schuldner eine Wohnung als Mieter bewohnt.

Die Gläubigerin hat den Gerichtsvollzieher mit der Durchsetzung der titulierten Verpflichtung beauftragt. Sie hat insbesondere darum gebeten, ihrem Beauftragten Zutritt zum Zähler zu verschaffen und für den Fall, dass der Zutritt nicht möglich ist, verschlossene Türen zu öffnen. Ein Vollstreckungstermin ist ergebnislos verlaufen. Der Gerichtsvollzieher hat der Gläubigerin mitgeteilt, der Schuldner habe erklärt, alle Zähler des Hauses befänden sich in einem Kellerraum, zu dem er keinen Schlüssel habe. Er habe die Zwangsvollstreckung eingestellt, weil der Schuldner weder Mitgewahrsam an diesem Raum noch Zutritt dazu habe.

Hiergegen hat die Gläubigerin Erinnerung eingelegt und auf einen gesetzlichen Zutrittsanspruch des Schuldners zum Gemeinschaftszählerraum verwiesen. Der Gerichtsvollzieher hat der Erinnerung nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, die Vollstreckung sei ihm mit Blick auf den bezüglich des Zählerstandorts unbestimmten Titel und die zudem nicht titulierte Verpflichtung Dritter zur Zutrittsgewährung nicht möglich. Das AG Eberswalde hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die hiergegen von der Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG Frankfurt (Oder) zurückgewiesen. Mit ihrer vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren weiter, den Gerichtsvollzieher zur Fortsetzung der beantragten Vollstreckung anzuweisen.

Der BGH hat die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen und entschieden, dass ein Titel, der den Schuldner verpflichtet, Zutritt zu einer Stromabnahmestelle zu gewähren und deren Sperrung durch Wegnahme des Stromzählers zu dulden, insgesamt nach § 892 ZPO durch Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers vollstreckt werden kann. Für eine Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers nach § 892 ZPO reicht es aus, wenn der Gläubiger eine dem Schuldner zurechenbare Widerstandshandlung als bevorstehend behauptet. Es ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger zu erwartenden Widerstand nachweist oder glaubhaft macht. Im Falle einer ergänzenden Handlungspflicht des Schuldners kann der Widerstand nicht nur in einem aktiven Tun, sondern auch in einem Unterlassen bestehen. Soweit ein Duldungstitel den Schuldner auch dazu verpflichtet, Zutritt zu einem Raum zu gewähren, ist für eine Vollstreckung dieser ergänzenden Handlungspflicht nach § 892 ZPO erforderlich, dass der Schuldner zumindest Mitgewahrsam an diesem Raum hat. Andernfalls richtet sich die Zwangsvollstreckung insoweit nicht gegen ihn und fehlt es an einer Widerstandsleistung des Schuldners im Sinne von § 892 ZPO.