Auftraggeber müssen auch bei dringlichen Beschaffungen mehrere Angebote anfordern OLG Rostock erklärt Beschaffung von Corona-Tests für unwirksam

Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock hat mit Beschluss vom 09.12.2020 | Az.: 17 Verg 4/20 festgestellt, dass Auftraggeber auch bei dringlichen Beschaffungen nicht ohne Weiteres ein einzelnes Unternehmens direkt beauftragen können, ohne zuvor weitere Vergleichsangebote anzufordern.

In dem zugrundliegenden Fall geht es um die Wirksamkeit eines direkt vergebenen Auftrags durch das Land Mecklenburg-Vorpommern zur Durchführung von anlasslosen Corona-Tests in Alten- und Pflegeheimen.

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte bereits im März 2020 erklärt, dass für den Einkauf von Leistungen, die der Eindämmung und kurzfristigen Bewältigung der Corona-Epidemie dienen, aufgrund der durch die Corona- Epidemie verursachten Notsituation die Voraussetzungen für ein vereinfachtes, schnelles Vergabeverfahren, d. h. das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 der Vergabeordnung (VgV) gegeben seien. Der Antragsteller, ein Anbieter von Corona-Schnelltests hatte dem Auftraggeber bereits im April 2020 mitgeteilt, dass er über erhebliche Test-Kapazitäten verfüge. Die Erteilung des Auftrags durch den Auftraggeber an die Beigeladene, einen Wettbewerber des Antragstellers, erfolgte am 7.5.2020. Der Auftragserteilung waren weder eine Auftragsbekanntmachung, ein förmliches Vergabeverfahren noch die Einholung anderer Vergleichsangebote vorausgegangen. Der Antragsteller hatte von dem Vertragsschluss letztendlich aus der Tagespresse erfahren und gegen die Direktvergabe an die Beigeladene Beschwerde eingelegt.

Das OLG Rostock hat der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass der erteilte Auftrag nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unwirksam ist. Die Voraussetzungen einer Dringlichkeitsvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV hätten hier zwar vorgelegen. Denn kurzfristige Beschaffungsbedarfe im Kontext der Corona-Pandemie bzw. konkret der Pandemiesituation im Frühjahr 2020 können einen Anwendungsfall einer Dringlichkeitsvergabe darstellen darstellen.

Daraus folge aber nicht die Möglichkeit, eine Direktvergabe durchzuführen, bei der keine anderen potentiellen Anbieter um ein Angebot gebeten werden. Auch bei einer Dringlichkeitsvergabe müsse ein Mindestmaß an Wettbewerb ermöglicht werden. In der Regel seien daher mehrere Angebote einzuholen. Die Direktansprache nur eines Anbieters komme dagegen nur als ultima ratio in Betracht. Ein solcher Extremfall habe hier aber nicht vorgelegen, so das OLG. Hier hätten Möglichkeiten bestanden, weitere Anbieter, insbesondere den Antragsteller, kurzfristig, d. h. innerhalb von Tagen, um ein Angebot zu bitten. Fehlendes Personal auf Seiten des Auftraggebers könne nicht als Entschuldigungsgrund dafür akzeptiert werden, dass keine weiteren Anbieter angefragt wurden. Die Direktbeauftragung eines Unternehmens ohne Einholung weiterer Angebote sei somit trotz Bestehens einer Notsituation ermessensfehlerhaft gewesen.

Der Entscheidung des OLG Rostock ist zuzustimmen. Denn auch bei dringendem Beschaffungsbedarf dürfte es im absoluten Regelfall grundsätzlich möglich sein, mehrere Angebote bei geeigneten Anbietern abzufragen. Diese kurzfristige Anfrage ist auch erforderlich, um wirksam einen Auftrag erteilen zu können, wie das Verfahren vor dem OLG Rostock zeigt.

Eine Direktvergabe, bei der nur ein Unternehmen gezielt angesprochen wird, ist dagegen nur dann möglich, wenn in der konkreten Beschaffungssituation ein Wettbewerb zwischen Anbietern nicht vorstellbar ist, weil es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nur einen Anbieter für die nachgefragte Leistung gibt, oder weil das Vergaberecht in einer besonderen Situation die Schaffung von Wettbewerb nicht erfordert, wie etwa in Fällen einer In-House-Vergabe oder einer interkommunalen Kooperation.