Straftaten durch Unternehmen sollen strenger sanktioniert werden Ausnahmen für kleine, mittlere und für öffentliche Unternehmen fehlen
Unternehmen werden sich wohl künftig im Falle von Regelverstößen mit dem neuen Verbandssanktionengesetz auseinandersetzen müssen. Die Bundesregierung hat am 16.06.2020 einen entsprechenden Gesetzentwurf veröffentlich, der deutlich strengere Sanktionen vorsieht als die bislang maßgeblichen Geldbußen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz.
Hauptgegenstand des vorliegenden Entwurfs des Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft ist die Einführung eines Verbandssanktionengesetzes. Dieses sieht die Einführung eines besonderen „Unternehmensstrafrechts“ für Verbände, d. h. für juristische Personen, nicht rechtsfähige Vereine und Personengesellschaften, vor, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Der Gesetzentwurf betrifft damit insbesondere Unternehmen unabhängig von Rechtsform, Größe oder Betätigungsfeld. Lediglich für hoheitliches Handeln sind Verbandssanktionen ausgeschlossen.
Mit dem Gesetz sollen die Verfolgungsbehörden und Gerichte in die Lage versetzt werden, sog. „Verbandstaten“, d. h. Straftaten, durch die Pflichten, die den Verband betreffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert werden soll, flexibler, aber auch strenger sanktionieren zu können. Sanktionen sollen dann erfolgen, wenn die Verbandstat durch eine Leitungsperson des Verbandes begangen wird oder wenn eine Leitungsperson durch angemessene Vorkehrungen eine Verbandstat durch sonstige für den Verband handelnde Personen hätte verhindern oder erschweren können. Vorsätzliche Verbandstaten können mit einem Betrag in Höhe von bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes des Verbandes sanktioniert werden.
Der Gesetzentwurf enthält aber auch Regelungen zur Milderung der zu verhängenden Sanktionen. Der Sanktionsrahmen kann in solchen Fällen gesenkt werden, in denen betroffene Verbände hinreichende Compliance-Maßnahmen eingeführt haben, interne Untersuchungen zur Aufklärung von Verbandstaten durchführen und mit den Verfolgungsbehörden vollumfänglich kooperieren.
Der VKU hat sich inzwischen in seiner Stellungnahme dafür ausgesprochen, das Gesetzgebungsverfahren aufgrund der Corona-Pandemie auszusetzen. Denn die betroffenen Unternehmen sehen sich derzeit bereits einer Vielzahl von Herausforderungen ausgesetzt, die die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen zur Umsetzung des Verbandssanktionengesetzes zu einer extremen Belastung werden ließen.
Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist zudem deutlich zu weit gefasst. Es fehlen Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen sowie für öffentliche Unternehmen der Daseinsvorsorge. Bei kleinen und mittleren Unternehmen ist kaum vorstellbar, wie diese die komplexen Anforderungen zur Vorhaltung an Compliance-Strukturen oder zur Durchführung von internen Untersuchungen einhalten sollen. Bei öffentlichen Unternehmen der Daseinsvorsorge würde sich die Verhängung einer Verbandssanktion gegen deren Kunden oder gegen die Mitglieder der Eignerkörperschaft richten, die letztendlich die Sanktion finanziell kompensieren müssten. Der dem Entwurf zugrundeliegende Gedanke, künftig gegenüber finanzkräftigen multi-nationalen Konzernen empfindliche Sanktion verhängen zu können und so Benachteiligungen kleinerer und mittelständischer Unternehmen zu vermeiden, kann mit der aktuellen Fassung des Entwurfs jedenfalls nicht erreicht werden.
Die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland dürfte diesmal nach einigen erfolglosen Versuchen wohl tatsächlich erfolgen. Auch für kommunale Unternehmen ist dies noch einmal ein Anlass, Umfang und Aktualität der im Unternehmen getroffenen Maßnahmen zur Gewährleistung von Compliance zu prüfen.