Saug- und Pumpfahrzeug als rollende Abwasseranlage Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bejaht Abwassersammlung

Der Transport von Klärschlamm in einem Saug- und Pumpfahrzeug von einer betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage zu einer kommunalen Kläranlage unterfällt dem Wasser- und nicht dem Abfallrecht. Das hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 20.04.2021 entschieden. Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 20.04.2021 entschieden, dass der Transport von Klärschlamm in einem Saug- und Pumpfahrzeug von einer betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage zu einer kommunalen Kläranlage dem Wasser- und nicht dem Abfallrecht unterfällt. Das Saug- und Pumpfahrzeug sei als (rollende) Abwasseranlage im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 9 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) anzusehen. Bei dem mit dem Fahrzeug vorgenommenen Transport des Abwassers zur kommunalen Abwasseranlagen handele es sich mithin um ein „Sammeln“ von Abwasser im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des Wasserhaushaltsgesetz (WHG).

Die Klägerin, ein Pharma-Unternehmen mit Hauptsitz in Rheinland-Pfalz, begehrt die Feststellung, dass der Transport von (von den Beteiligten so genanntem) Klärschlamm von einer Produktionsstätte der Klägerin mittels eines Saug- und Pumpfahrzeugs zu einer ca. 5 km entfernten kommunalen Kläranlage nicht den abfallrechtlichen Regelungen des KrWG, sondern dem WHG unterfällt. Das VG Sigmaringen hatte die Klage in der Vorinstanz mit der Begründung abgewiesen, es handele sich bei dem Klärschlamm um Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG. Bei dem Transport des Klärschlamms handele es sich nicht um ein „Sammeln“ oder (leitungsgebundenes) „Fortleiten“ von Abwasser im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG. Der Klärschlamm werde durch den Transport zudem nicht „in Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung“ im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG entwässert, weil hierzu ein räumlicher oder funktionaler Zusammenhang erforderlich sei. Ein räumlicher Zusammenhang setze eine Entwässerung auf dem gleichen Grundstück voraus. Auch an einem funktionalen Zusammenhang fehle es.

Anders als das Verwaltungsgericht Sigmaringen in der ersten Instanz ist der VGH zu der Überzeugung gelangt, dass der im vorliegende Fall umstrittene Transport von Klärschlamm von der Betriebsstätte der Klägerin zur kommunalen Kläranlage nicht von den sich aus den Vorschriften der §§ 53 - 55 KrWG ergebenden Rechtspflichten erfasst wird. Für den von der Klägerin durch einen beauftragten Unternehmer veranlassten Klärschlammtransport gelten die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes - KrWG - und damit auch die §§ 53 - 55 KrWG gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG nicht. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG gelten die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht für Stoffe, „sobald sie in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden“.

Bei dem im vorliegenden Fall eingesetzten Fahrzeug handele es sich um eine zur Abwasserbeseitigung eingesetzte Anlage. Denn bei dem mit dem Fahrzeug vorgenommenen Transport des Abwassers zur kommunalen Abwasseranlagen handelt es sich um ein „Sammeln“ von Abwasser im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 WHG. Charakteristisch für ein Sammeln im lexikalischen Sinn ist, dass mehrere Teile zu einer größeren Menge (der Sammlung) vereinigt bzw. zusammengetragen werden. In diesem Sinne findet sich auch in § 3 Abs. 15 KrWG die Verwendung des Begriffs Sammlung (allerdings von Abfällen), wonach Sammlung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes „das Einsammeln von Abfällen, einschließlich deren vorläufiger Sortierung und vorläufiger Lagerung zum Zweck der Beförderung zu einer Abfallbehandlungsanlage“ darstellt, wobei die Kommentarliteratur schreibt, „Einsammeln“ sei „das Entgegennehmen und Zusammentragen von Abfällen entweder in einem Holsystem oder in einem Bringsystem, bei dem die Abfälle zu einer von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bereitgestellten Sammelstelle gebracht und dort entgegengenommen werden, um dann von dort aus weiter entsorgt zu werden“. Dementsprechend beinhaltet das Sammeln ggf. (allerdings nicht notwendig) ein Element des Transports von Abfall bzw. Abwasser, im Vordergrund steht allerdings das Zusammenbringen bzw. Zusammenfassen von regelmäßig aus mehreren Quellen (Anfallorten) stammenden Stoffen mit dem Ziel der alsbaldigen weiteren Behandlung. Entscheidend ist danach für ein Sammeln im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 WHG das „Einsammeln“ von Abwasser unter Verwendung von Kanalisationsleitungen, Rohrleitungen, Schächten, Tankwagen, Gräben und ähnlichen Einrichtungen mit dem Ziel, das Abwasser alsbald einer weiteren Behandlung (z. B. in einer Kläranlage) zuzuführen.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde vom VGH aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen.