Rückstau von Niederschlagswasser aufgrund einer Straßenänderung BGH bejaht grundsätzlichen Abwehranspruch von Grundstückseigentümern

Führt eine Straßenänderung dazu, dass der Abfluss von Niederschlagswasser von einem höher gelegenen Grundstück behindert wird, kann darin ein Nachteil liegen, wenn die Gefahr der Überflutung nicht nur in extremen Ausnahmefällen zu erwarten ist. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 21.08.2019 (Az.: VIII ZR 265/18) entschieden.

Der Grundstückseigentümer verlangte von der beklagten Gemeinde, "durch geeignete Maßnahmen" zu verhindern, dass sich abfließendes Niederschlagswasser von einer Gemeindestraße auf sein Grundstück zurückstaut. Er behauptete, bei stärkeren Regenfällen seien die Böden der oberhalb seines Grundstücks gelegenen Felder regelmäßig nicht mehr in der Lage, anfallendes Wasser aufzunehmen. Dies würde dann über sein Grundstück und die Gemeindestraße auf die tiefer gelegenen nordwestlichen Felder abfließen. Die Gemeinde habe aber durch eine Erhöhung der Gradiente der Gemeindestraße um 14,5 cm faktisch einen Damm errichtet, der den Abfluss des Niederschlagswassers auf die benachbarten Felder behindere. Zwar sei es seitdem noch nicht zu einer Überflutung seines Grundstücks gekommen, dies sei jedoch nur den günstigen Witterungsbedingungen geschuldet.

Im Ergebnis hat der BGH einen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 37 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) grundsätzlich bejaht, sofern dies nicht nur bei ganz ungewöhnlichem und seltenem Starkregen (Katastrophenregen), sondern regel-mäßig wiederkehrend zu befürchten ist. Ob dies im Streitfall zu befürchten war, konnte der BGH nicht abschließend beurteilen, weil das vorinstanzlich zuständige Oberlandesgericht (OLG) Rostock hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hatte. Daher hat der BGH das Verfahren an das OLG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück verwiesen. Grundsätzlich hat der BGH aber zum Streitfall folgendes festgestellt:

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG darf der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks behindert werden. Dies hat die Gemeinde bei der Planung und Ausführung der Sanie-rung der Straße nicht hinreichend beachtet. Bei der Planung und dem Bau von Straßen hat aber der Träger der Straßenbaulast die anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und der Wasserwirtschaft zu beachten. Zu diesen gehören auch die Vorschriften des Wasserrechts über Veränderungen des Ablaufs wild abfließenden Wassers. Zum wild ablaufenden, d.h., ungefassten, nicht in einem Bett fließenden Oberflächenwasser gehört grundsätzlich auch Niederschlagswasser (siehe § 37 Abs. 4 WHG), solange es nicht nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließt und daher dem Regime der Abwasserbeseitigung nach den §§ 54 ff WHG unterfällt. Dies war im Streitfall zu verneinen. Verboten ist eine künstliche Veränderung des natürlichen Ablaufs von wild abfließendem Wasser zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks. Ausgangspunkt ist insoweit das natürliche Geländegefälle. Der natürliche Ablauf richtet sich nach den vorhandenen Boden- und Geländeverhältnissen, auch wenn diese zuvor nach der vorstehenden Maßgabe (künstlich) verändert wurden.

Ob ein "Nachteil" im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG vorliegt, ist objektiviert grund-stücksbezogen (und nicht nur subjektiv) zu beurteilen. Die Nutzbarkeit des betroffenen Grundstücks muss gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt sein; es muss eine "Belästigung" für den Grundstückseigentümer entstanden sein, die von einigem Gewicht und spürbar ist, und dadurch sein Grundstück erheblich beeinträchtigt werden. Nur drohende Nachteile reichen nicht aus, sie müssen tatsächlich eintreten oder doch mit Sicherheit zu erwarten sein. Ein Nachteil in diesem Sinn ist allerdings zu verneinen, wenn eine Beeinträchtigung des betroffenen Grundstücks nur bei einem ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen (Katastrophenregen) zu erwarten ist.