Rechtsprechung zur Indizwirkung von Netzentgelten ist verfassungsgemäß
Seit der Liberalisierung der Stromversorgung gab es etliche Gerichtsverfahren, in denen Stromlieferanten die Höhe der ihnen für die Netznutzung berechneten Netzentgelte rügten. Die Netzbetreiber mussten im Rahmen der Verfahren die Billigkeit der von ihnen berechneten Netzentgelte nachweisen. Nach Einführung der Netzentgeltregulierung im Jahre 2005 war streitig, ob von der Regulierungsbehörde genehmigte Netzentgelte trotzdem noch der zivilgerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unterliegen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte erstmals im Mai 2012 festgestellt, dass eine zivilrechtliche Überprüfung genehmigter Netzentgelte nicht ausgeschlossen sei. Dabei komme der von der Regulierungsbehörde erlassenen Netzentgeltgenehmigung aber eine Indizwirkung dahingehend zu, dass die vom Netzbetreiber dem Stromlieferanten berechneten Netzentgelte der Billigkeit entsprechen. Der Stromlieferant müsse dieses Indiz durch die Darlegung konkreter Nachweise für die Unbilligkeit erschüttern.
Lichtblick monierte – neben der Annahme der Indizwirkung an sich - dass die Gerichte für die Erschütterung derselben überhöhte Anforderungen stellen würden. Zudem wurde moniert, dass dem Netznutzer der Einblick in den ungeschwärzten Netzentgeltgenehmigungsbescheid und die Genehmigungsverfahrensunterlagen verwehrt würde, wodurch eine Erschütterung der Indizwirkung nicht möglich sei.
Der VKU hatte Ende November 2016 nach Aufforderung durch das BVerfG als sachkundiger Dritter, unterstützt durch ein bei der Anwaltskanzlei Becker Büttner Held beauftragtes Rechtsgutachten, zu den Verfassungsbeschwerden Stellung genommen und die BGH-Rechtsprechung als verfassungsgemäß bewertet.
Das BVerfG hat mit Beschluss vom 26.09.2017 die von Lichtblick eingelegten Verfassungsbeschwerden (Az.: 1 BvR 1486/16 | 1 BvR 1487/16 | 1 BvR 2490/16 | 1 BvR 2491/16) nicht zur Entscheidung angenommen, weil keine Voraussetzungen für deren Annahme vorlagen. Nach dem Inkrafttreten der Anreizregulierungsverordnung komme den Verfassungsbeschwerden insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu. Die Verfassungsbeschwerde sei auch unzulässig. Lichtblick habe keine konkreten Bemühungen unternommen, zu den jeweiligen Genehmigungsverfahren der beklagten Netzbetreiberinnen beigeladen zu werden oder sich mit einem Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IfG) die begehrte Information zu verschaffen.
Aber auch in der Sache lasse der Vortrag eine mögliche Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht hinreichend substantiiert erkennen. Das BVerfG führte u.a. aus, dass nicht aufgezeigt worden sei, dass die konkret verlangten Darlegungen an die Erschütterung der Indizwirkung und an die Substantiierung gestellten Anforderungen auf sachfremden Erwägungen beruhen und eine unter keinen Umständen mehr zu vertretende Auslegung des § 315 Abs. 3 BGB darstellen könnten.
Besonders erwähnenswert ist die Klarstellung des BVerfG, dass Netzbetreiber zwar natürliche Monopolisten seien, aber jedenfalls in nach- und vorgelagerten Märkten sowie in Bereichen wie Effizienzvergleich und Konzessionsvergaben untereinander und in Bereichen wie Beschaffung oder bei Lieferanten, Kapitalgebern und beim Personal mit anderen im Wettbewerb stünden. Netzbetreiber hätten daher an der Nichtverbreitung von Informationen, über die sich Rückschlüsse über die Ausbaustrategie oder die getätigten Investitionen ableiten lassen, ein berechtigtes Interesse. Die Beschwerdeführerin gehe nicht in ausreichendem Umfang auf die Frage ein, inwieweit die in den Genehmigungsunterlagen befindlichen Informationen den durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der beklagten Netzbetreiberinnen unterfallen.