Rechtsansichten erfüllen nicht den Tatbestand einer unlauteren Irreführung BGH hebt Fernwärme-Urteile des OLG Frankfurt auf

Die Aussage in einer Preisänderungsmitteilung, dass allgemeine Versorgungsbedingungen und neue Preissysteme in der Fernwärmeversorgung durch öffentliche Bekanntgabe wirksam geändert werden könnten, ist eine wettbewerbsrechtlich zulässige Rechtsansicht. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteilen vom 23.04.2020 festgestellt.

Streitgegenstand war ein Unterlassungsanspruch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegenüber zwei Fernwärmeversorgern. Dies hatten ihren Kunden eine Preisänderungsmitteilung übersandt, die lautete:

"Gemäß § 4 Abs. 2 der "Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme" (AVBFernwärmeV), die Bestandteil des zwischen Ihnen und der […] bestehenden Wärmelieferverhältnisses ist, können allgemeine Versorgungsbedingungen durch öffentliche Bekanntgabe wirksam geändert werden. Zu den allgemeinen Versorgungsbedingungen gehört u.a. auch das Preissystem bzw. die Preisänderungsregelung. Das neue Preissystem wird nach der öffentlichen Bekanntmachung zum 01.10.2015 in Kraft treten."

Der vzbv kritisierte, dass ein Fernwärmeversorger nicht berechtigt sei, eine mit seinen Kunden vertraglich vereinbarte Preisänderungsklausel einseitig durch öffentliche Bekanntmachung zu ändern. Eine an die Kunden gerichtete Mitteilung über eine auf diese Weise vorgenommene Änderung sei daher irreführend im Sinne von § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gab dem vzbv mit Urteilen vom 21.03.2019 Recht und stellte fest, dass die streitige Mitteilung unrichtig und irreführend sei, die Verbraucher daher über ihre wahren Rechte getäuscht würden. Die Fernwärmeversorger seien nicht befugt, die mit ihren Kunden vertraglich vereinbarten Preisänderungsregelungen in den bestehenden Versorgungsverträgen einseitig durch öffentliche Bekanntmachung zu ändern. Grundsätzlich könnten Verträge nur durch übereinstimmende Erklärungen der Vertragspartner geändert werden. Dies gelte auch in der Fernwärmeversorgung nach Maßgabe der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV). Der vzbv könne deshalb verlangen, dass diese Schreiben nicht mehr versendet werden. Außerdem müssten die betroffenen Fernwärmeversorger die durch ihr Schreiben verursachte Fehlvorstellung der Verbraucher beseitigen und deshalb Berichtigungsschreiben versenden.

Der BGH hat die Urteile aufgehoben (Az.: I ZR 85/19 und I ZR 86/19). Bei den streitigen Aussagen in den Preisänderungsmitteilungen handelt es sich nicht um unwahre Angaben noch um eine sonstige zur Täuschung geeignete Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG – so der BGH. Vielmehr handelt es sich im Ergebnis bei der Aussage, allgemeine Versorgungsbedingungen einschließlich der Preisänderungsregelung könnten durch öffentliche Bekanntgabe wirksam geändert werden, um eine Rechtsansicht. Für die Verbraucher ist erkennbar, dass diese Rechtsansicht im Rahmen einer Rechtsverfolgung geäußert wurde. Formulierungen, die den Verbrauchern die Eindeutigkeit der dargestellten Rechtslage suggerieren sollen, sind der Preisänderungsmitteilung nicht enthalten. Auf eine höchstrichterlich geklärte Rechtslage haben sich die Fernwärmeversorger nicht berufen. Ein ausdrücklicher Hinweis, dass es sich lediglich um die eigene Rechtsauffassung handelt, wird nach der bisherigen Rechtsprechung nicht verlangt. Der BGH sieht auch keine Veranlassung, dies zu ändern, weil ein solches Erfordernis zu einer ausufernden wettbewerbsrechtlichen Kontrolle von Rechtsansichten außerhalb des von ihnen betroffenen Rechtsverhältnisses führen würde.