Stromsperren auf dem Prüfstand Bundestag beschließt Ausschussberatungen

Der Bundestag hat sich am 25.10.2019 mit Anträgen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Titel „Stromsperren verhindern – Energieversorgung für alle garantieren“ und DIE LINKE mit dem Titel „Stromsperren gesetzlich verbieten“ befasst. Die Anträge wurden zur federführenden Beratung an den Bundestags-Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen.

Nach dem Monitoringbericht der Bundesnetzagentur 2018 gab es 2017 in Deutschland insgesamt 360.799 Stromsperren, 2016 waren es insgesamt 330.254 Fälle. Insbesondere dies und die schon seit längerem währenden Diskussionen über Energiearmut und zu hohe Strompreise haben die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE zum Anlass genommen, die Bundesregierung aufzufordern, gesetzliche Maßnahmen u.a. zur Vermeidung bzw. zum Verbot von Stromsperren zu ergreifen.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sie fordert einen Gesetzentwurf zur Verhinderung von Stromsperren und zur Sicherstellung der Energieversorgung, der u.a. eine Neuregelung des § 19 der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) beinhaltet. Diese soll eine Verlängerung der Mahn- und Sperrfristen, eine moderate Anhebung des Grenzbetrags bei ausstehenden Zahlungsverpflichtungen sowie eine Deckelung der Mahn- und Folgekosten umfassen. Außerdem werden eine deutliche Erhöhung der Grundsicherung und eine Stromkostenpauschale, die jährlich angepasst wird, ein frühzeitiges Hilfesystem zwischen Energieversorgern, Jobcentern oder Sozialämtern bei sich abzeichnenden Stromschulden, eine stärkere Unterstützung von Empfängern der Grundsicherung beim Kauf von energiesparenden Geräten, die stärkere Förderung von erfolgreichen Projekten zur Energiespar- und Schuldnerberatung und ein nationaler Aktionsplan gegen Energiearmut gefordert.

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Sie fordert einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie, um für schutzbedürftige Kundinnen und Kunden eine Grundversorgung mit Strom jederzeit zu gewährleisten und eine Neuregelung der StromGVV durch die Energieversorger aufgrund von Zahlungsunfähigkeit von Verbrauchern gesetzlich zu untersagen.

Aussprache im Bundestag

Die Aussprache zu den Anträgen von Abgeordneten aller Fraktionen war – ausweislich des Plenarprotokolls - vielschichtig, teilweise fachlich fundiert, teilweise polemisch und von unterschiedlichen energie- und sozialpolitischen Ansätzen geprägt. Als Ursachen für Stromsperren wurden insbesondere Einkommensarmut, ein zu niedriger Betrag für Energiekosten im Regelsatz der Grundsicherung und zu hohe Grundversorgungspreise, aber auch das bewusste Ausnutzen der Grundversorgungspflichten genannt. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine Stromsperre eindeutig in § 19 StromGVV geregelt seien und ein Verbot von Stromsperren letztendlich ein Fehlanreiz zu Lasten der Grundversorger und damit der Allgemeinheit sei. Als Lösungsmöglichkeiten wurden die Absenkung der Stromsteuer und die Einführung von Sozialtarifen für Haushalte mit geringem Einkommen genannt.

Ausdrücklich wurden in der Aussprache die Initiativen und Projekte der Stadtwerke zur Vermeidung von Stromsperren gelobt: „Energieversorgung ist Daseinsvorsorge, und die wird am besten gemacht von Stadtwerken und Genossenschaften. Wenn man sich anguckt, wer im Kampf gegen Energiearmut voranschreitet, dann muss man sagen: Es sind auch hier wieder die Stadtwerke und die Genossenschaften, die vorangehen.“ Beispielhaft wurde das Projekt „NRW bekämpft Energiearmut“ genannt, an dem etliche Stadtwerke beteiligt ist. Auch die Kooperation von vielen Stadtwerken mit dem Stromspar-Check der Caritas wurde positiv hervorgehoben.

Letztendlich wurden beide Anträge zur weiteren Beratung federführend an den Bundestags-Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen.

Kommentar

Die soziale Grundsicherung einschließlich der Kosten der Energieversorgung ist eine originäre Aufgabe des Staates. Gesetzliche Regelungen zur Vermeidung oder Minderung von Stromsperren müssen daher im Sozialrecht und nicht im Energierecht angelegt sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt es kein Recht auf eine kostenlose Energieversorgung. Die beruht nämlich notwendigerweise auf dem Grundsatz von Leistung und Gegenleistung. Kunden müssen daher auch eigenverantwortlich und rechtzeitig von sich aus aktiv werden, um die Abwendung einer drohenden Stromsperre zu erreichen. Es ist nicht Aufgabe des Stromversorgers, die Zahlungsfähigkeit des Kunden zu gewährleisten. Vielmehr muss sich der Kunde um die Gewährleistung seiner Zahlungsfähigkeit kümmern. Dies betrifft sowohl die Inanspruchnahme von externen Beratungs- und Hilfsangeboten als auch die Kommunikation mit dem Stromversorger. Gerade die Grundversorger sind regelmäßig bereit, angemessene Ratenzahlungsvereinbarungen zur Abwendung von Stromsperren zu ermöglichen.