Nitratrichtlinie: EU-Kommission eröffnet Zweitverfahren gegen Deutschland

Die EU-Kommission hat am 25. Juli 2019 beschlossen, ein Zweitverfahren wegen Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie gegen Deutschland einzuleiten und ein entsprechendes Mahnschreiben an die Bundesregierung zu übermitteln. In diesem Schreiben wird Deutschland aufgefordert, dem EuGH-Urteil vom Juni 2018 (Rs. C‑543/16) vollumfänglich nachzukommen. In ihrer Mitteilung begründet die EU-Kommission die Einleitung des Verfahrens damit, dass die Folgemaßnahmen Deutschlands die vom Gerichtshof festgestellten Mängel, die unzureichende Vorschriften zur Begrenzung der Ausbringung von Düngemitteln, zusätzliche Maßnahmen für belastete Gebiete, Sperrzeiten und Düngung auf stark geneigten landwirtschaftlichen Flächen umfassen, nicht vollständig behoben haben. Daher verstößt Deutschland immer noch wie vom Gerichtshof im letzten Jahr festgestellt gegen die Nitrat-Richtlinie.
EU-Umweltkommissar Vella weist bei der Pressekonferenz daraufhin, dass aus Sicht der EU-Kommission für die deutschen Behörden dringender Handlungsbedarf besteht. Die Wasserqualität in Deutschland zeigt keine Anzeichen für Besserung. Vielmehr gehört die Qualität des Grundwassers in Deutschland zu den schlechtesten in Europa. Kommissar Vella zeigt Verständnis für die Diskussionen um die deutsche Düngeverordnung. Er verweist jedoch darauf, dass Wasser aber wertvoll ist, und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger noch wertvoller. In einigen Bundesländern seien mehr als 30 Prozent des Grundwassers mit mehr als 75 mg Nitrat pro Liter verunreinigt, während der erlaubte Grenzwert bei 50 mg Nitrat pro Liter liegt. Aus Sicht der EU-Kommission sei dies nicht nur ein Umweltproblem, sondern die steigenden Kosten für die Aufbereitung verunreinigten Grundwassers hätten eben auch die deutschen Bürgerinnen und Bürger zu schultern. Die EU-Kommission stehe in einem konstruktiven Dialog mit den deutschen Behörden, um eine rasche Umsetzung des EuGH-Urteils zu erreichen. Geschieht dies nicht, könnte die Kommission den EuGH in einem nächsten Schritt ersuchen, Strafzahlungen gegen Deutschland zu verhängen.
Deutschland hat nunmehr zwei Monate Zeit, sich schriftlich hierzu zu äußern und die offenen Fragen der EU-Kommission zufriedenstellend zu beantworten. Danach ist das außergerichtliche Verfahren abgeschlossen. Wenn es hier keine Einigung gibt, kann die EU-Kommission Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Auch das Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium haben sich zum Erhalt des Mahnschreibens in einer gemeinsamen Pressemitteilung geäußert. Darin weisen sie darauf hin, dass sie jetzt den Inhalt des Mahnschreibens der Europäischen Kommission prüfen und die Antwort innerhalb der Bundesregierung unter Einbeziehung der Länder abstimmen werden. Die Bundesregierung arbeitet daran in der kurzen Frist eine Einigung zu erzielen. In dieser Zeit wird die Bundesregierung weiterhin Gespräche mit der EU-Kommission führen, um zügig zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Klares Ziel ist es nach wie vor, das Urteil vom 21. Juni 2018 so schnell wie möglich und vollständig umzusetzen und eine mögliche Verurteilung zu vermeiden und Strafzahlungen abzuwenden.
Bundesministerin Klöckner hat Länder und Verbände, so auch den VKU, zum weiteren Vorgehen im Vertragsverletzungsverfahren zu einer nochmaligen Besprechung eingeladen.
Im Hinblick auf die Eröffnung des Zweitverfahrens weist der VKU Vizepräsident Karsten Specht darauf hin, dass übermäßig aufgebrachte Düngemittel die Qualität der Trinkwasserressourcen - und damit die nachhaltige Wasserversorgung unserer Bevölkerung, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft gefährden. Die Europäische Kommission legt mit der Eröffnung des Zweitverfahrens den Finger tief in die Wunde: Sie fragt die Bundesregierung konkret danach, welche Maßnahmen in den kommenden Jahren in welchen Gebieten umgesetzt und wie diese kontrolliert werden sollen. Für die kommunalen Wasserversorger steht fest: Die Böden in nitratbelasteten Gebieten gehören dringend auf eine Schlankheitskur gesetzt. Dass uns nunmehr Brüssel die Anleitung dazu vorgibt, sollte allen Beteiligten zu denken geben. Nach mehr als 30 Jahren Düngeproblematik ist es aus Sicht des Umwelt- und Gewässerschutzes mehr als an der Zeit, um vom Reden ins Handeln zu kommen. Um das Wasser bestmöglich vor übermäßig aufgebrachten Düngemitteln und damit unsere Trinkwasserressourcen zu schützen, fordern wir die Einführung eines deutschlandweit transparenten Düngesystems mit digitaler Datenübermittlung.
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