Neuordnung des Marktaustritts von Lieferanten sowie der Grund- und Ersatzversorgung EnWG-Novelle von Bundestag und Bundesrat beschlossen
Der Bundesrat hat am 20.05.2022 das EEG-Umlagen-Absenkungsgesetz erwartungsgemäß in der vom Bundestag am 28.04.2022 beschlossenen Fassung gebilligt. Das Gesetz ist bereits am 27.05.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und gemäß seinem Artikel 3 am nächsten Tag, dem 28.05.2022, in Kraft getreten.
Seit Beginn des Jahres hat der VKU gefordert, eine Wiederholung der Energiemarktereignisse von Ende 2021 / Anfang 2022 künftig auszuschließen und deswegen den Rechtsrahmen neu zu ordnen.
So dürfe es für Energielieferanten keine Option mehr geben, sich durch kurzfristige und vielfach unrechtmäßige Kündigung aller Lieferverträge von heute auf morgen vom Markt „zu verabschieden“ und die Kunden in die örtliche Grund- bzw. Ersatz-versorgung abzuwälzen. Die behördliche Aufsicht müsse zur Vermeidung von solchem marktschädlichem Verhalten nachhaltig optimiert und die bestehende Struktur der Grund- und Ersatzversorgung neu geordnet werden. Die bisherige Gleichpreisigkeit von Grund- und Ersatzversorgung für Haushaltskunden müsse abgeschafft und zugleich die Möglichkeit geschaffen werden, kostenverursachungsgerechte Er-satzversorgungspreise kurzfristig zu bilden und ändern zu dürfen. Notwendig sei auch eine Übergangsregelung zu gespaltenen Grund- und Ersatzversorgungspreisen für Bestands- und Neukunden beim Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuordnung.
Mit der nun vom Bundestag beschlossenen und vom Bundesrat gebilligten EnWG-Novelle werden diese wichtigen Ziele in den §§ 5, 36 und 38 EnWG vollständig aufgegriffen und umgesetzt.
Neue Lieferantenpflichten und BNetzA-Rechte
§ 5 EnWG wird neu gefasst werden, um die Aufsichtsmöglichkeiten der BNetzA über Energielieferanten zu verbessern, die Haushaltskunden mit Energie beliefern.
Die Beendigung der Belieferung muss künftig der BNetzA drei Monate vor dem geplanten Beendigungstermin angezeigt werden. Zeitgleich müssen die hiervon betroffenen Haushaltskunden und die Netzbetreiber, in deren Netzgebieten die Haushaltskunden beliefert werden, in Textform informiert werden. Dadurch sollen die Haushaltskunden rechtzeitig auf eine Beendigung der Tätigkeit ihres Lieferanten reagieren können. Vor Ablauf des angezeigten Beendigungstermins darf die Belieferung nicht eingestellt werden. Dieses Verbot gilt nur dann nicht gelten, wenn ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wurde.
Mit der Anzeige der Beendigung muss der Lieferant gegenüber der BNetzA darlegen, wie die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen bis zu der geplanten Beendigung gewährleistet ist. Darlegung und deren Inhalt sind abhängig vom jeweiligen Lieferanten und dessen Organisationsstruktur, Unternehmensaufbau, Kundenzahl und Beschaffungsstrategie. Hauptleistungspflicht gegenüber den Kunden ist die Energiebelieferung bis zur Vertragsbeendigung, so dass in jedem Fall die noch zu beliefernde Zahl der Kunden und die Beschaffung deren Energiebedarfs bis zur Beendigung darzulegen sein soll. Aber auch die personelle und technische Infrastruktur zur Abwicklung der Vertragsbeendigungen (Kündigungserklärung, Endabrechnung etc.) muss vorhanden sein, sodass bis zum Tätigkeitsende die Pflichten (einschließlich der vertraglichen Nebenpflichten) eingehalten werden können. Der BNetzA bleibt es unbenommen, weitere Informationen anzufordern. Es ist aber auch klagestellt, dass vertragliche Pflichten des Energielieferanten, die über den Zeitpunkt der angezeigten Beendigung der Tätigkeit hinausgehen, unberührt bleiben.
Wie bisher, muss mit der Anzeige der Aufnahme der Tätigkeit das Vorliegen der personellen, technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung dargelegt werden. Die BNetzA ist aber künftig neu berechtigt, das Vorliegen der personellen, technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung jederzeit unter Nutzung der behördlichen Aufsichtsrechte nach dem EnWG zu überprüfen. Die BNetzA kann insoweit die Vorlage des Jahresabschlusses über das letzte Geschäftsjahr und, sofern der Abschluss von einem Abschlussprüfer geprüft worden ist, auch die Vorlage des Prüfungsberichtes sowie des Bestätigungsvermerkes oder Versagungsvermerkes des Abschlussprüfers verlangen.
Ebenso wie bisher, kann die Ausübung der Tätigkeit jederzeit ganz oder teilweise untersagt werden, wenn die personelle, technische oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gewährleistet ist.
Im Zusammenhang mit den neuen Anzeige- und Darlegungspflichten bei der Beendigung der Belieferung von Haushaltskunden werden in § 95 Abs. 1 EnWG neue Bußgeldtatbestände eingefügt werden. Täter dieser Ordnungswidrigkeiten können ausdrücklich auch Geschäftsführer bzw. Unternehmensleitung von Lieferanten sein. Je nach Verstoß können die Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern von bis zu 300.000 € bzw. von bis zu 1 Mio. € geahndet werden.
Neuordnung der Grund- und Ersatzversorgung
Grund- und Ersatzversorgung werden klar voneinander abgegrenzt. In die gesetzliche Ersatzversorgung fallen alle Letztverbraucher in Niederspannung und Niederdruck, deren Lieferanten die Verträge beendet haben oder insolvent werden. In der Grundversorgung werden wie bisher die Haushaltskunden versorgt, die Energie nach einem Einzug entnehmen oder die ihren bisherigen Liefervertrag selbst gekündigt, aber kein anschließendes Lieferverhältnis mit einem anderen Lieferanten begründet haben.
Klargestellt wird auch, dass die Grundversorgungspflicht und ein Grundversorgungsanspruch von Haushaltskunden erst nach Ablauf der dreimonatigen Ersatzversorgung bestehen. Diese Neuregelung beruht auf der Annahme, dass Haushaltskunden, die bisher außerhalb der Grundversorgung beliefert wurden, eine Versorgung über die Grundversorgung sehr häufig allein als eine Interimsversorgung anstreben würden. Um diesem Umstand gerecht zu werden, wird die Ersatzversorgung entsprechend ausgebaut, die das Bedürfnis nach einer Übergangsversorgung besser abbilden kann als der Grundversorgungsvertrag. Die Ersatzversorgung kann aber weiterhin täglich durch einen Wechsel zu einem Liefervertrag außerhalb der Grundversorgung verlassen werden. Ebenso besteht auch vor Ablauf von drei Monaten die Möglichkeit eines Grundversorgungsvertrages, wenn dieser zwischen Grund-versorger und Haushaltskunden durch ausdrücklichen Vertragsschluss zustande kommt.
Die Gleichpreisigkeit von Grund- und Ersatzversorgung für Haushaltskunden wird beendet. Die Energiemarktentwicklung Ende 2021 / Anfang 2022 hat gezeigt, dass dadurch jedenfalls vorübergehend teilweise zusätzliche Haushaltskunden durch die Grundversorger zu beliefern waren und in einem nicht vorhersehbaren Maße zusätzliche Energie beschafft werden musste. Die Beschaffungskosten für die langfristiger angelegte Grundversorgung und die kurzfristige Ersatzversorgung können sich aber in einem Umfang unterscheiden, der die Aufgabe des Gebots der Gleichpreisigkeit als sachgerecht erscheinen lässt. Grundversorgern soll es aber freistehen, die Gleichpreisigkeit auch künftig beizubehalten.
Bei nicht gleichpreisigen Ersatzversorgungspreisen für Haushaltskunden dürfen die Beschaffungskosten im Rahmen des Versorgeranteils aber kalkulatorisch nicht höher angesetzt werden, als sich die Beschaffungskosten für den Grundversorger im Falle einer kurzfristigen Beschaffung der erforderlichen Energiemengen über entsprechende Börsenprodukte ergeben würden. Dies schließt aber eine andere Beschaffungsstrategie des Grundversorgers, auch für die Ersatzversorgung, nicht aus. Aus Transparenzgründen hat eine gesonderte Ausweisung der Beschaffungskosten zu erfolgen.
Die Ersatzversorgungspreise können bei Änderungen der kalkulatorischen Preisbestand-teile ohne Einhaltung einer Ankündigungsfrist jeweils am ersten und fünfzehnten Tag eines Kalendermonats angepasst und nach Veröffentlichung auf der Internetseite des Grundversorgers wirksam werden. Die Ersatzversorgungspreise müssen aber zudem für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten auf der Internetseite des Grundversorgers verfügbar sein. Dadurch soll den Kunden eine Überprüfung der Abrechnung der Ersatzversorgung ermöglicht werden.
Gespaltene Grund- und Ersatzversorgungspreise für Bestands- und Neukunden sind mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen nicht mehr zulässig. Grundversorgungspreise müssen nämlich immer vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses unabhängig sein.
Um eine entsprechende Anpassung bestehender Preisregelungen an diese Vorgabe mit dem notwendigen zeitlichen Vorlauf gemäß der §§ 5 Abs. 2 StromGVV / GasGVV angemessen zu gewährleisten, erhalten die Grundversorger ab Inkrafttreten der Gesetzesänderungen eine Übergangsfrist bis spätestens zum Monatsersten des dritten Monats nach dem Inkrafttreten.
Insgesamt gesehen sind die beabsichtigten Neuregelungen uneingeschränkt zu befürworten. Sie werden mit ihrem Inkrafttreten die Ende 2021 / Anfang 2022 aufgetretenen Unzulänglichkeiten der bisherigen Systematik beseitigen und für deutlich mehr Rechtsklarheit und -sicherheit für alle Beteiligten - Kunden, Energielieferanten und BNetzA – sorgen
Die gesetzlichen Neuregelungen treten am Tag nach ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft; dies dürfte vermutlich ab Mitte Juli zu erwarten sein.