Bundesfinanzhof hilft Abwasserentsorgungsbetrieben Bauinvestitionen in die Abwasserinfrastruktur sind zu berücksichtigen
Abwasserentsorgungsbetriebe investieren in erheblichem Umfang in die Instandhaltung und –setzung der Abwasserinfrastruktur. Aufgrund der Regelung in § 15 Abs. 9 Stromsteuerverordnung wurde dies bei der Energie- und Stromsteuer nicht berücksichtigt. Mit Urteil vom 30.04.2019 erkennt der Bundesfinanzhof die Bautätigkeiten der Abwasserbetriebe an.
Mit Urteil vom 30.04.2019 (Az.: VII R 14/18) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Abwasserentsorgungsbetriebe grundsätzlich den Spitzenausgleich sowie weitere energie- und stromsteuerliche Entlastungen in Anspruch nehmen können. Voraussetzung hierfür ist, dass die Abwasserentsorgungsbetriebe energie- und stromsteuerlich als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes (UdPG) statistisch eingeordnet werden können. Im Einzelfall können die in die Abwasserinfrastruktur getätigten Bauinvestitionen energie- und stromsteuerlich zu einer Einordnung als UdPG führen. Eine Regelung in der Stromsteuerverordnung, die diese Einordnung einschränkt, erklärten die Richter für nicht anwendbar.
Hintergrund
Sogenannte UdPG können diverse energie- und stromsteuerliche Entlastungen für die betrieblich verbrauchten Energieerzeugnisse bzw. den betrieblich verbrauchten Strom beanspruchen (u.a. den „Spitzenausgleich“). Das Stromsteuergesetz definiert als UdPG wirtschaftliche Tätigkeiten von Betrieben, die in bestimmte Abschnitte der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003) fallen. An die Einordnung eines Betriebes in die WZ 2003 als UdPG im Energie- und Stromsteuerrecht knüpfen keine weiteren Folgen in anderen Steuergebieten an.
Die Tätigkeit „Abwasserentsorgung“ ist in Abschnitt O WZ 2003 aufgeführt, auf die das Stromsteuergesetz nicht verweist. Allerdings investieren Abwasserbetriebe erhebliche Summen in den Bau und die Instandhaltung des Abwassernetzes. Diese Bautätigkeiten sind in Abschnitt F, WZ 2003 ausgeführt, auf die das Stromsteuergesetz bei der Definition von UdPG verweist. Statistisch gesehen können Abwasserentsorgungsbetriebe daher schwerpunktmäßig Bautätigkeiten ausführen. Im Rahmen der statistischen Einordnung allein nach der WZ 2003 ist es dabei unerheblich, ob das Unternehmen die Bautätigkeiten durch eigenes Personal oder Subunternehmer ausführen lässt.
Einschränkung in der Stromsteuerverordnung
Allerdings hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zum 01.08.2013 mit § 15 Abs. 9 StromStV eine Regelung erlassen, wonach Bautätigkeiten, die durch Subunternehmer ausgeführt werden, nicht als Bautätigkeiten des Auftraggebers eingeordnet werden dürfen. Diese Regelung führt im Ergebnis dazu, dass die Bauinvestitionen von Abwasserentsorgungsbetrieben, die in der Regel überwiegend von Subunternehmern erbracht werden, bei der Einordnung des Abwasserentsorgungsbetriebs als UdPG nicht berücksichtigt werden dürfen.
BFH urteilt gegen das BMF
Der BFH hat nunmehr diese Regelung als rechtswidrig eingestuft. Die Klassifizierungsvorschriften in der WZ 2003, die Gesetzescharakter haben, dürften nach Auffassung der Richter nicht durch § 15 Abs. 9 Stromsteuerverordnung in dieser Weise eingeschränkt werden.
Für die Abwasserentsorgungsbetriebe hat dies zur Folge,
- dass sie ermitteln müssen, welche statistisch relevanten Tätigkeiten sie haben und in welche Abschnitte der WZ 2003 diese Tätigkeiten fallen,
- welchen Anteil an den Gebühren die Bauinvestitionen haben und
- Bautätigkeiten prozentual ins Verhältnis zu setzen zu den Tätigkeiten, die in andere Abschnitte der WZ 2003 fallen.
Sollte sich aus der Prüfung ergeben, dass die Bautätigkeiten relativ gesehen prozentual den größten Anteil haben, sind als nächstes diverse Anträge beim zuständigen Hauptzollamt auf Entlastung zu stellen. Betroffene Betriebe können noch bis zum 31.12.2019 (absolute Ausschlussfrist!) die Begünstigungen nach §§ 54, 55 EnergieStG sowie §§ 9b, 10 StromStG beim zuständigen Hauptzollamt beantragen.
Weiterführende Hinweise finden Sie auch hier