Aktuelle Gesetzesvorhaben und Rechtsprechung
Verlängerung des Spitzenausgleichs und weitere Entwicklungen

Die Bundesregierung lässt dem am 09.11.2023 verkündeten „Strompreispaket“ Taten folgen. Der Entwurf einer Formulierungshilfe zu einem Änderungsantrag zum Haushaltsfinanzierungsgesetz enthält die Absenkung der Stromsteuer für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes.

17.11.23

Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sollen ab dem 01.01.2024 für selbstverbrauchten Strom nur noch mit der Stromsteuer in Höhe des europäischen Mindeststeuersatzes von 0,5 EUR/MWh belastet werden.

Der sogenannte Spitzenausgleich nach § 10 StromStG soll dafür gestrichen und die Steuerentlastung nach § 9b StromStG von 5,13 EUR/MWh auf 20,00 EUR/MWh für den Zeitraum 2024 bis 2026 erhöht werden. 

Die geplanten Änderungen sind mit keinem zusätzlichen Aufwand für die begünstigten Unternehmen verbunden. Im Gegenteil, der Aufwand wird verringert, da die Beantragung der Entlastung nach § 9b StromStG weniger aufwendig ist als die Beantragung des Spitzenausgleichs nach § 10 StromStG. 

Der energiesteuerliche Spitzenausgleich nach § 55 EnergieStG wird nicht verlängert und läuft zum 31.12.2023 aus. Hiervon betroffen sind Unternehmen, die insbesondere aus Erdgas Wärme zum Eigenverbrauch hergestellt haben bzw. die Erstattung von Erdgas, das auf die Wärmeverluste im Netz entfiel, über § 55 EnergieStG geltend gemacht haben.

Eine weitere, vom VKU seit Jahren erhobene Forderung könnte ebenfalls zukünftig umgesetzt werden. Der VKU fordert die Umstellung der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 (WZ 2003) auf die WZ 2008. Dies hätte ggf. zur Folge, dass die Abwasserentsorgungsbetriebe ebenfalls die Entlastungen für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes in Anspruch nehmen könnten. Die Begründung zum Entwurf der Formulierungshilfe enthält eine entsprechende Erklärung, wonach zukünftig von der WZ 2003 auf die WZ 2008 umgestellt werden solle. Diese Änderung wird jedoch noch nicht mit der aktuellen Gesetzesänderung implementiert werden.

Nach aktuellem Stand sind Abwasserentsorgungsbetriebe ab dem Jahr 2023 von der Inanspruchnahme von Begünstigungen nach §§ 9b, 10 StromStG sowie 54, 55 EnergieStG ausgeschlossen. Grund hierfür ist die Regelung in § 11 Nr. 4 StromStG, die es der Zollverwaltung erlaubt, die Zuordnung von Unternehmen zu einem Abschnitt oder einer Klasse der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003; § 2 Nummer 3 und 5) auch abweichend von den Zuordnungsregelungen der Klassifikation der Wirtschaftszweige zu regeln. Betroffen hiervon sind einige Abwasserbetriebe, die wegen ihrer erheblichen baulichen Investitionen ins Abwassernetz auf Grundlage der Zuordnungsregeln in der WZ 2003 die Entlastungen nach §§ 9b, 10 StromStG sowie 54, 55 EnergieStG bis 2022 in Anspruch nehmen konnten. Nach Auffassung des VKU ist die Ermächtigungsgrundlage in § 11 Nr. 4 StromStG zu unbestimmt, da es für die Zollverwaltung keine Vorgaben gibt, in welchem Umfang von den Zuordnungsregeln der WZ 2003 abgewichen werden darf.

Neues Urteil zur Stromsteuerbefreiung für die Stromerzeugung

Mit Urteil vom 19.04.2023 (4 K 3119/18 VSt) hat das Finanzgericht (FG) Düsseldorf die Steuerbefreiung für die Stromerzeugung ausgeweitet. Dem vorausgegangen war ein Urteil des EUGH vom 09.03.2023 (C-571/21). Demnach ist Strom von der Stromsteuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG befreit, der zur Förderung und zum Transport von Rohbraunkohle sowie zur entsprechenden Verwendung innerhalb der Kraftwerksgelände durch Einsatz von Bekohlungsbaggern, Bekohlungsbändern und Kohlemühlen entnommen wird. Primär ist dieses Urteil für Betreiber von Kohleverstromungsanlagen von Interesse. Darüber hinaus könnten die Grundsätze des Urteils auch in den Musterverfahren zum Umfang der Steuerbefreiung für die Stromerzeugung in thermischen Abfallbehandlungsanlagen Berücksichtigung finden.

Der Urteilsbegründung des FG lassen sich im Vergleich zur Entscheidung des EuGH weitere Präzisierungen zum Umfang der Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG entnehmen. Aus der Urteilsbegründung ließe sich folgern, dass auch der Stromerzeugung vor- und nachgelagerte Prozesse nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG befreit werden könnten - vorausgesetzt, dass der Strom zur Stromerzeugung auf dem Kraftwerksgelände verbraucht wird. Weiterhin nicht begünstigt sind hingegen Vorgänge wie die Förderung und der Transport von Energieerzeugnissen zur Stromerzeugung.

Somit haben die deutsche Rechtsprechung und Zollverwaltung die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG bisher zu restriktiv ausgelegt. Fraglich ist allerdings, welche Schlussfolgerungen aus dem Urteil für stromerzeugende thermische Abfallbehandlungsanlagen gezogen werden können. Zur Reichweite der Steuerbefreiung sind aktuell zwei Musterverfahren vor den Finanzgerichten anhängig (Az.: FG Hamburg 4 K 90/22 und FG Düsseldorf 4 K 1192/22 VSt).

Auf Grundlage der Urteilsbegründung des FG ließe sich begründen, dass die Beförderung sowie die Abluftreinigung und die Wirbelschichtfeuerung der Stromerzeugung unmittelbar vor- und nachgelagerte Prozesse sind und – da sie auf dem Kraftwerksgelände stattfinden – steuerbefreit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG sind. Die Zollverwaltung hingegen sieht den erzeugten Strom als Nebenprodukt der Anlage an. In diesem Fall wären die Argumente des aktuell entschiedenen Falls voraussichtlich nicht gänzlich auf stromerzeugende thermische Abfallbehandlungsanlagen übertragbar.

Inzwischen wurde die Nichtzulassungsbeschwerde der Zollverwaltung gegen das Urteil des FG Düsseldorf vom BFH als unbegründet zurückgewiesen. Der BFH schließt sich vollumfänglich der Argumentation des BFH an.

Überarbeitung der EnsTransV

Das BMF hat am 04.10.2023 den Referentenentwurf einer Verordnung zur Änderung der Energie- und Stromsteuer-Transparenzverordnung, der Energiesteuer-Durchführungsverordnung und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung veröffentlicht und eine Verbändeanhörung eingeleitet. Die Verordnung zur Änderung der Energie- und Stromsteuer-Transparenzverordnung (EnsTransV) regelt beihilferechtliche Meldepflichten von Unternehmen, die beihilferechtlich relevante, energie-/stromsteuerliche Entlastungen in Anspruch nehmen. Die Schwellen, ab denen eine Meldung abzugeben ist, sollen von 200.000 EUR auf 100.000  EUR je Steuerbegünstigung abgesenkt werden und würden die Meldungen betreffen, die in 2024 für das Jahr 2023 abzugeben sind.

(Keine) Stromsteuerbefreiung für Stromverbrauch eines Netzbetreibers in Umspannanlagen

Mit Beschluss vom 20.06.2023, VII R 2/21, hat der BFH entschieden, dass für sogenannte technische Betriebsverbräuche, die für einen dauerhaften und störungsfreien Betrieb der Umspannanlagen eines Netzbetreibers notwendig sind, die Stromsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 des Stromsteuergesetzes (StromStG) durch Entnahme aus dem Versorgungsnetz entsteht und nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfrei ist. Begründet wird dies mit dem Umstand, dass die Klägerin selbst keinen Strom hergestellt, sondern nach dessen Umspannung weitergeleitet hat. Demzufolge könne sie das Herstellerprivileg nicht für sich in Anspruch nehmen.