Urteil könnte weitreichende Folgen für die Finanzierung der Daseinsvorsorge haben
Anhängiges BFH-Verfahren stellt „Kettenzusammenfassung“ in Frage

In einem beim Bundesfinanzhof anhängigem Rechtsstreit ist das Bundesministerium der Finanzen zum Beitritt aufgefordert worden. Aus Sicht des Gerichts ist u.a. fraglich, ob die Verwaltungspraxis zur „Kettenzusammenfassung“ mit § 4 Abs. 6 KStG vereinbar ist. Insbesondere für den Querverbund mit Bädern kommt dem Verfahren erhebliche Bedeutung zu.

19.03.24

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich einen Beschluss vom 31.01.2024 in der Rechtssache (V R 43/21) veröffentlicht, in dem er das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zum Beitritt zum Verfahren auffordert.

Dabei soll das BMF zu den folgenden beiden Fragen Stellung beziehen:

  1. Ermöglicht § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden Betriebe gewerblicher Art (BgA)?
  2. Gestattet § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA ausreicht, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen?“

Beide Fragestellungen stellen Teile der derzeit geltenden Verwaltungspraxis in Frage. Aus Sicht des VKU kommt dabei vor allem der zweiten Frage, die die sogenannte „Kettenzusammenfassung“ bzw. die sogenannte „Mitschlepptheorie“ zum Gegenstand hat, insbesondere für den steuerlichen Querverbund mit Bädern, erhebliche Bedeutung zu.

In dem untypischen Sachverhalt, der dem Gerichtsverfahren zugrunde liegt, begehrt eine AöR mit den Sparten Bauhof, Abwasserbetrieb, Trinkwasserversorgung, Freibad und BHKW die steuerliche Zusammenfassung der Trinkwassersparte mit dem BHKW und dem Freibad. Das Finanzamt vertritt die Auffassung, dass BHKW und Wasserversorgung Versorgungsbetriebe i. S. des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG seien und somit zusammenfassbar sind. Demgegenüber sei jedoch das Freibad als eigenständiger BgA zu behandeln.

Das FG gab der Klägerin Recht. Es ging davon aus, die Tätigkeiten Wasserversorgung/BHKW auf der einen Seite und das Freibad auf der anderen Seite seien gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 2 KStG zusammenfassbar. Demnach sei die zeitliche Reihenfolge der Zusammenfassungen entscheidend. Zunächst seien die BgA "BHKW" und "Wasserversorgung" als "ein Versorgungsbetrieb" nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 KStG zusammenzufassen, danach könne der zusammengefasste BgA "Wasserversorgung/BHKW" mit dem verbliebenen BgA "Freibad" nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG zusammengefasst werden.

Diese Sichtweise führt dazu, dass auch die Gewinne aus der Wasserversorgung mit den Bäderverlusten verrechnet werden können, obwohl die beiden Tätigkeiten Wasserversorgung und Bad allein betrachtet nicht zusammengefasst werden könnten. Auch wenn die Finanzverwaltung in diesem Fall die Zusammenfassung nicht akzeptiert hat, lässt sie solche sogenannten Kettenzusammenfassungen, in denen im Ergebnis nicht zwischen allen Tätigkeiten, die miteinander verrechnet werden, eine Zusammenfassbarkeit gegeben sein muss, durchaus zu. Gerade im Bereich des steuerlichen Querverbundes mit Bädern kommt dieser Praxis auch eine hohe Bedeutung zu.

Diese Form der Kettenzusammenfassung wird nun in Frage gestellt. Der BFH verweist in dem Zusammenhang auf diverse Äußerungen im Schrifttum, wonach bei einer Zusammenfassung von mehr als zwei BgA die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KStG jeweils zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, einzeln vorliegen müssen.

Sollte sich diese Auffassung in der Rechtsprechung durchsetzen, könnte dies zu empfindlichen Einschränkungen der Ergebnisverrechnung zwischen Versorgungsbetrieben und Bädern führen.

In dem Verfahren ist für den 25.07.2024 die mündliche Verhandlung angesetzt.