Wirtschaftsministerium plant GWB-Novelle Reaktion auf Kraftstoffpreise
Angesichts der aktuellen Diskussion um Kraftstoffpreise an Tankstellen plant das Wirtschaftsministerium eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts. Eine entsprechende Novelle des GWB solle noch auf dieses Jahr vorgezogen werden.
Das Ziel des Ministeriums ist es, die Befugnisse des BKartA zu erweitern. Unter anderem sollen die Hürden für eine kartellrechtliche Gewinnabschöpfung gesenkt werden. Das BKartA solle zudem missbrauchsunabhängige Eingriffsbefugnisse erhalten. Eine solche Verschärfung des Wettbewerbsrechts könne zwar nicht kurzfristig in der aktuellen Situation wirken, aber dem Staat die nötige Stärke geben, zukünftig besser einzugreifen. Das Ministerium hat bereits eine Kurzdarstellung erster Vorschläge zu der Novellierung veröffentlicht.
Die Vorschläge sehen drei Maßnahmen vor:
Die Einführung einer missbrauchsunabhängigen Entflechtungsmöglichkeit. Nach jetziger Rechtslage seien strukturelle Eingriffe in Märkte nur bei einem Kartellrechtsverstoß oder im Rahmen von Fusionskontrollentscheidungen möglich. Es existierten jedoch immer wieder stark verfestigte Märkte mit wenigen Anbietern im Markt und Wettbewerbsproblemen, auf denen aber weder Kartellrechtsverstöße noch wettbewerbsrechtswidrige Zusammenschlüsse zu beobachten oder nachweisbar seien. Hier könne ein Aufbrechen der Marktstrukturen mithilfe eines missbrauchsunabhängigen Entflechtungsinstruments Abhilfe schaffen. Deshalb solle mit der GWB-Novelle im Kartellrecht eine Entflechtungsmöglichkeit geschaffen werden, die unabhängig von einem nachgewiesenen Verstoß gegen das Kartellrecht anwendbar sei. Eine solche missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit müsse an klar definierte Bedingungen geknüpft sein und könne nur als ultima ratio eingesetzt werden. Sie biete aber die Chance, verfestigte Märkte aufzubrechen und so für mehr Wettbewerb zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher zu sorgen.
Neben der Verankerung von missbrauchsunabhängigen Eingriffsbefugnissen sollten auch die Voraussetzungen der sogenannten kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung (§ 34 GWB) überarbeitet werden. Bereits nach aktueller Rechtslage gebe es das Instrument der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung. Es handelt sich hierbei nicht um ein steuerrechtliches Instrument, sondern um ein Instrument des Kartellrechts. Es ermögliche den Kartellbehörden, Unternehmen Vorteile zu entziehen, die sie aus wettbewerbswidrigem Verhalten erlangt haben. Zweck der Vorteilsabschöpfung ist vor allem die Verhütung von Kartellrechtsverstößen. Die abgeschöpften Beträge flößen der Staatskasse zu. Das BKartA habe die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung bislang noch nie genutzt, da hier die Hürden nach aktueller Rechtslage besonders hoch seien. Das BKartA müsse zunächst nachweisen, dass sich Unternehmen untereinander abgestimmt hätten oder (ggf. kollektiv) marktbeherrschend seien und diese marktbeherrschende Stellung missbrauchten. Eine solche marktbeherrschende Stellung sowie ein kartellrechtswidriges Verhalten habe auf den Kraftstoffmärkten bislang nicht festgestellt werden können. Zudem stelle der Nachweis des Verschuldens („vorsätzlich oder fahrlässig“) insbesondere bei komplexen Preishöhenmissbrauchsverfahren eine hohe Hürde dar. Diese Hürden sollten mit den Änderungen des Wettbewerbsrechts gesenkt werden.
Auch hier wirke eine Novelle nicht kurzfristig. Eine Erleichterung der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung erhöhe jedoch für die Zukunft die Schlagkraft der Kartellrechtsdurchsetzung und sende bereits jetzt ein Signal an die Märkte, dass das Kartellamt künftig stärker durchgreifen könne.
Bereits heute könne das BKartA einzelne Wirtschaftszweige mit einer Sektoruntersuchung (§ 32e GWB) untersuchen. Allerdings sei die Verzahnung mit daraus folgenden, ggf. auch strukturellen, Maßnahmen auf den Märkten verbesserungswürdig. Hierzu würden Reformoptionen geprüft, wie in Zukunft das Bundeskartellamt unmittelbar aus einer Sektoruntersuchung Maßnahmen ableiten könne, wie etwa auch missbrauchsunabhängige Maßnahmen auf der Grundlage des neuen Entflechtungsinstruments.
Zu den Vorschlägen ist anzumerken, dass das Grundproblem – ein Verhalten zu sanktionieren, das nach bisherigen Vorschriften nicht kartellrechtswidrig ist – nicht einfach gelöst werden kann. Bereits jetzt können die Kartellbehörden reine Vorteilsabschöpfungen (§ 34 GWB) oder – praktisch relevanter - Vorteilsabschöpfungen im Rahmen von Bußgeldentscheidungen (§ 81 Abs. 5 GWB) oder auch strukturelle Abhilfemaßnahmen wie Entflechtungen (§ 32 Abs. 2 GWB) als Reaktion auf Kartellrechtsverstöße anordnen. Eine Ausweitung dieser Möglichkeiten auf Sachverhalte, in denen kein Kartellrechtsverstoß vorliegt oder ein solcher nicht nachgewiesen werden kann, erscheint nicht einfach zu begründen.