BGH: Keine Verletzung der Pressefreiheit durch kommunales Internetportal Privater Verlag scheitert mit Klage gegen Stadt Dortmund

Der BGH hat mit Urteil vom 14.07.2022 | Az.: I ZR 97/ festgestellt, dass es bei der Frage, ob ein Internetportal einer Kommune, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch Informationen über das Geschehen in der Stadt abrufbar sind, das Gebot der "Staatsferne der Presse" verletzt, auf den Gesamtcharakter des Internetangebots ankommt.

Das Gebot der "Staatsferne der Presse" gilt auch für die pressemäßigen Print- und Online-Angebote kommunaler Unternehmen.

Die Klägerin im zugrundeliegenden Fall, ein privater Verlag, der auch digitale Medien anbietet, vertrat die Ansicht, das Internetportal der beklagten Stadt Dortmund überschreite die Grenzen der zulässigen kommunalen Öffentlichkeitsarbeit und sei deshalb nach § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) folgenden Gebot der Staatsferne der Presse wettbewerbswidrig und deshalb einzustellen.

Dieser Ansicht folgte nur das Landgericht. OLG und BGH konnten dagegen keinen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse feststellen.

Der Umfang und die Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse sind bei gemeindlichen Publikationen unter Berücksichtigung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG einerseits sowie der Garantie des Instituts der freien Presse andererseits zu bestimmen, so der BGH.

Den Gemeinden stehe zwar aufgrund der Selbstverwaltungsgarantie das Recht zu, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen. Kommunale Öffentlichkeitsarbeit werde aber begrenzt durch das Erfordernis eines spezifischen Orts- und Aufgabenbezugs.

Die Marktverhaltensregelung des aus der Institutsgarantie der Presse abgeleiteten Gebots der Staatsferne der Presse schütze zudem vor Substitutionseffekten kommunaler Online-Informationsangebote, die dazu führten, dass die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen könne.

Der BGH hat eine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse nach einer wertenden Gesamtbetrachtung des Stadtportals der Beklagten im Ergebnis jedoch abgelehnt. Soweit lediglich einzelne Beiträge die Grenzen zulässiger staatlicher Berichterstattung überschreiten, führe dies nicht zwangsläufige zu einem Verstoß gegen das Verbot der Staatsferne der Presse.

Bei der erforderlichen wertenden Betrachtung der Publikation insgesamt sei neben den inhaltlichen Kriterien zu berücksichtigen, wie die Informationen den angesprochenen Gemeindemitgliedern präsentiert würden. Je stärker die kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreite und bei den angesprochenen Verkehrskreisen als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirke, desto eher sei das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt. Keinesfalls dürfe die kommunale Publikation den Lesern eine Fülle von Informationen bieten, die den Erwerb einer Zeitung - jedenfalls subjektiv - entbehrlich mache. Je deutlicher – in Quantität und Qualität - eine kommunale Publikation Themen besetze, deretwegen Zeitungen gekauft werden, desto wahrscheinlicher sei der Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit einhergehende, dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten.

Bei der Beurteilung des Gesamtcharakters einer Publikation seien auch die optische Gestaltung, redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse, wie Glossen, Kommentare oder Interviews, und die Frequenz des Vertriebs zu berücksichtigen. Allein die Verwendung pressemäßiger Darstellungselemente und eine regelmäßige Erscheinungsweise führten zwar nicht automatisch zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Die Grenze werde aber überschritten, wenn das Druckwerk nicht mehr als staatliche Publikation erkennbar sei. Eine Anzeigenschaltung sei ebenfalls in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Sie sei nicht generell unzulässig, sondern könne zulässiger, fiskalisch motivierter Randnutzen sein.

Bei Online-Informationsangeboten sei das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen für die erforderliche wertende Gesamtbetrachtung der Publikation regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Für die Gesamtbetrachtung könne deshalb bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne verletzenden Beiträge das Gesamtangebot prägen.

Im Ergebnis habe die Klägerin im konkreten Fall aber nicht dargelegt, dass das Portal „dortmund.de“ gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoße.