Berlin, 13.05.2019. Die Finanzierungsmechanismen der Energiewende sind in eine Schieflage geraten. Das hat ein vom VKU bei r2b energy consulting in Auftrag gegebenes Gutachten ergeben. Es kommt zu dem Schluss, dass Kunden von zu hohen Strompreisen entlastet werden müssen, um die Flexibilisierung des Energieversorgungssystems voranzubringen und Sektorenkopplung zu ermöglichen. Die Einführung einer zusätzlichen CO2-Steuer lehnt der VKU ab.
Dabei ist die Ausweitung des Europäischen Emissionshandels die volkswirtschaftlich effizienteste Lösung, gegenwärtig ist eine solche Einigung aller Mitgliedstaaten zeitnah nicht realistisch. Daher ist die Einführung eines sektorübergreifenden CO2-Preises ein sinnvolles, ergänzendes Instrument. Der Vorschlag von r2b sieht im Kern vor, die gegenwärtigen Energiepreisbestandteile mit klimapolitischem Bezug (zum Beispiel EEG-Umlage, KWKG-Umlage) zusammenzufassen und entsprechend an der CO2-Intensität an den jeweiligen Energieträgern in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr auszurichten. Das Modell, so das Gutachten, ist kompatibel mit dem europäischen Emissionshandelssystem (ETS).
„Wir brauchen Lösungen, die die Energieversorgung als Ganzes in den Fokus nehmen und durch die eine Lenkungswirkung für CO2-Minderungen entfaltet wird. Die Gutachter kommen hier zu ersten, energiewirtschaftlich interessanten Vorschlägen. Die Grundmechanik stimmt. Allerdings besteht bei der konkreten Ausgestaltung noch Nachsteuerungsbedarf. Entscheidend für die Akzeptanz eines solchen Modells werden die Höhe des CO2-Preises und die Sozialverträglichkeit sein. Vorstellbar sind aus VKU-Sicht 35 bis 40 Euro je Tonne CO2 im Jahr 2030“, so VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche.
Mittelstand profitiert von sinkenden Strompreisen
Die Einführung eines sektorübergreifenden CO2-Preises würde wieder zu mehr Marktwirtschaft in der Energieversorgung führen. Indem Marktverzerrungen abgebaut werden, werden Investitionen in neue Technologien und energiewirtschaftliche Lösungen angereizt. Ein neuer Finanzierungsmechanismus, wie ihn das Gutachten vorschlägt, kann so zum Konjunkturprogramm für den Wirtschaftsstandort Deutschland werden: „Energiepolitik ist Wirtschaftspolitik. Auch in Zukunft sollten daher die Ausnahmen für die energieintensiven Industrien bleiben, die sich im internationalen Wettbewerb befinden. Von einem sinkenden Strompreis profitieren darüber hinaus auch Unternehmen, die bisher über einen zu hohen Strompreis überproportional mit Energiewendekosten belastet wurden, etwa der deutsche Mittelstand“, so Reiche.
Sozialverträglichkeit verankern
Der VKU plädiert darüber hinaus dafür, den Übergang in ein neues System schrittweise zu gehen. „Jetzt überstürzt ein solches System einzuführen, schadet der Akzeptanz. Entscheidend ist, die Bepreisung sozial verträglich zu gestalten: Die Verbraucher brauchen ausreichend Zeit für die Umstellung, zum Beispiel wenn es um den Kauf eines neuen Fahrzeugs geht oder um den Austausch der alten Heizung. Darüber hinaus brauchen wir flankierende Maßnahmen, wie etwa bessere steuerliche Förderungen beim Kauf von Elektromobilen oder bei der energetischen Gebäudesanierung“, unterstreicht Reiche. Das Gutachten besteht aus mehreren Teilen. In einem weiteren Schritt werden gegenwärtig Szenarien berechnet, die die Sozialverträglichkeit der CO2-Bepreisung stärker in den Fokus nehmen.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt rund 1.460 kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit mehr als 260.000 Beschäftigten wurden 2016 Umsatzerlöse von knapp 114 Milliarden Euro erwirtschaftet und rund 10 Milliarden Euro investiert. Die VKU-Mitgliedsunternehmen haben im Endkundensegment große Marktanteile in zentralen Versorgungsbereichen (Strom 60 Prozent, Erdgas 65 Prozent, Trinkwasser 88 Prozent, Wärmeversorgung 72 Prozent, Abwasserentsorgung 43 Prozent). Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 66 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Die kommunalen Unternehmen versorgen zudem mehr als sechs Millionen Kunden mit Breitbandinfrastrukturen. Sie investieren in den kommenden Jahren mehr als eine Milliarde Euro in digitale Infrastrukturen von Glasfaser bis Long Range Wide Area Networks (LoRaWAN) in den Kommunen und legen damit die Grundlagen für die Gigabitgesellschaft.