Netzausbaubeschleunigungsgesetz 2.0: Verteilnetzbetreiber werden ausgebremst, Weichen falsch gestellt.
Berlin, 12.12.2018. Heute hat das Bundeskabinett das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) beraten. Neben zahlreichen planungsrechtlichen Erleichterungen soll den Übertragungsnetzbetreibern der vollständige Zugriff auf die in den Stromverteilnetzen angeschlossenen Erneuerbare-Energien- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen gewährt werden. Diese Regelungen waren zunächst von den Regierungsfraktionen aus dem Energiesammelgesetz herausgelöst worden, weil noch Klärungsbedarf bestand.
Für die im Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertretenen kommunalen Stromverteilnetzbetreiber eine falsche Entscheidung zur Unzeit.
VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche: „Trotz der noch laufenden Gespräche zwischen Wirtschaftsministerium, Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern über zukünftige Redispatch-Regelungen wurden kurzfristig Fakten geschaffen – und zwar zu Lasten der Verteilnetzbetreiber. Für die Verteilnetzbetreiber bliebe kaum noch ein Spielraum, in ihrem eigenen Versorgungsgebiet Stromerzeugung und -verbrauch optimal aufeinander abzustimmen. Das hat Konsequenzen für die Volkswirtschaft sowie für die Netzstabilität. Nur der Netzbetreiber vor Ort hat umfassende Anlagenkenntnis. Nur er weiß beispielsweise, ob Anlagen gerade gewartet werden oder wie lokale Verbräuche sind. Diese Kenntnis ist für sicheren und kosteneffizienten Netzbetrieb entscheidend.“ Durch die Nutzung des Redispatch-Potenzials auf Verteilnetzebene ließen sich nach einem aktuellen Gutachten von frontier economics ab 2023 rund 150 Millionen Euro jährlich einsparen. „Damit es zukünftig keine Nutzungskonflikte durch den gemeinsamen Zugriff auf Anlagen in den Verteilnetzen gibt, brauchen wir einen Redispatch-Prozess von unten nach oben mit Verteilnetzbetreibern als Anker. Das schafft Systemsicherheit“, betont Reiche. „Jeder Stromnetzbetreiber muss für die Steuerung seiner Netzebene verantwortlich sein und so seinen Beitrag zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit leisten können. Gerade die Verteilnetze sind für die neue Energiewelt essenziell, um zukünftig den steigenden Anteil des erneuerbaren Stroms in größeren Regionen bereits vor Ort zu verteilen oder dezentral, beispielsweise in Wärmenetzen, zu speichern. “ Zudem werde im NABEG nicht geklärt, wie die Kosten, die beim Ausgleich der abgeregelten Energiemengen entstehen, erstattet werden.
Hintergrund: Zukünftig sind alle EE- und KWK-Anlagen über 100 kW Anschlussleistung vom Redispatch betroffen. Diese sind zum weit überwiegenden Teil in den Stromverteilnetzen angeschlossen. Redispatch bezeichnet die kurzfristig vom Netzbetreiber veranlasste Änderung des Kraftwerkseinsatzes, um Netzengpässe zu vermeiden. Dazu bedarf es ausgewogener Regelungen zwischen Verteilnetz – und Übertragungsnetzbetreibern.
- Pressemitteilung 31/2018 (PDF, 222 KB)
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt rund 1.460 kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit mehr als 260.000 Beschäftigten wurden 2016 Umsatzerlöse von knapp 114 Milliarden Euro erwirtschaftet und rund 10 Milliarden Euro investiert. Die VKU-Mitgliedsunternehmen haben im Endkundensegment große Marktanteile in zentralen Versorgungsbereichen (Strom 60 Prozent, Erdgas 65 Prozent, Trinkwasser 88 Prozent, Wärmeversorgung 72 Prozent, Abwasserentsorgung 43 Prozent). Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 66 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Die kommunalen Unternehmen versorgen zudem mehr als sechs Millionen Kunden mit Breitbandinfrastrukturen. Sie investieren in den kommenden Jahren mehr als eine Milliarde Euro in digitale Infrastrukturen von Glasfaser bis Long Range Wide Area Networks (LoRaWAN) in den Kommunen und legen damit die Grundlagen für die Gigabitgesellschaft.