Weg vom Bett ins Homeoffice ist gesetzlich unfallversichert Bundessozialgericht fällt Grundsatzentscheidung

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 08.11.2021 entschieden (Az.: B 2 U 4/21 R), dass ein Beschäftigter, der auf dem morgendlichen erstmaligen Weg vom Bett ins Homeoffice stürzt, durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt ist.

Der Kläger in dem Verfahren ist als Gebietsverkaufsleiter seit mehreren Jahren im Außendienst versicherungspflichtig beschäftigt. Er arbeitet dabei regelmäßig auch im Homeoffice. Im September 2018 befand sich der Kläger auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro. Üblicherweise beginnt er dort unmittelbar zu arbeiten, ohne vorher zu frühstücken. Beim Beschreiten der die Räume verbindenden Wendeltreppe rutschte er aus und brach sich einen Brustwirbel.

Die beklagte Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Es liege kein Arbeitsunfall vor. Der Sturz habe sich im häuslichen Wirkungskreis und nicht auf einem versicherten Weg ereignet. Dagegen klagte der Kläger erfolgreich vor dem Sozialgericht (SG) Aachen.

Auf die Berufung der Beklagten hatte das Landessozialgericht (LSG) Essen das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles lägen nicht vor. Der vom Kläger zurückgelegte Weg sei weder als Weg nach dem Ort der Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (wege)unfallversichert, noch als versicherter Betriebsweg anzusehen. Bei der Wegeunfallversicherung beginne der Versicherungsschutz erst mit dem Durchschreiten der Haustür des Gebäudes. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich das LSG anschloss, könne ein im Homeoffice Beschäftigter niemals innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversichert sein. Die Annahme eines Betriebsweges scheide aus, da sich der Kläger zum Zeitpunkt des Treppensturzes auf dem Weg in sein Arbeitszimmer zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit am Unfalltag befunden habe. Es handele sich bei Betriebswegen um Strecken, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt würden. Vor- und Nachbereitungshandlungen der versicherten Arbeitsleistungen fielen nicht darunter. Der Kläger habe den Weg zurückgelegt, um seine versicherungspflichtige Tätigkeit im Homeoffice am Unfalltag erstmalig aufzunehmen.

Das BSG hat nun die Entscheidung des SG Aachen bestätigt. Der Kläger habe einen Arbeitsunfall erlitten, als er auf dem morgendlichen Weg in sein häusliches Büro (Homeoffice) stürzte. Das Beschreiten der Treppe ins Homeoffice diene nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme und ist deshalb als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers als Betriebsweg versichert.

Zu dieser Entscheidung ist aber unbedingt zu beachten, dass Homeoffice nicht gleich zu setzen ist mit mobilem Arbeiten. Auch wenn die Begriffe vielfach synonym verwendet werden, sind rechtliche und tatsächliche Unterschiede mit dem jeweiligen Begriff verknüpft. Beim Homeoffice ist die (teilweise) Erbringung der Arbeitsleistung an einem fest eingerichteten Arbeitsplatz außerhalb des Betriebs, typischerweise "in den eigenen vier Wänden", gegeben. Unter Mobilarbeit ist die durch Zurverfügungstellung von mobilen Endgeräten eingeräumte Möglichkeit zu verstehen, die Arbeitsleistung an typischerweise wechselnden Orten außerhalb des Betriebs zu erbringen (etwa auf Reisen im Zug, im Hotel oder auf dem heimischen Sofa). Der Arbeitnehmer muss nicht notwendig von zuhause arbeiten. Er muss lediglich seine Erreichbarkeit sicherstellen.

Zur Frage, ob, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen auch beim mobilen Arbeiten gesetzlicher Unfallversicherungsschutz besteht, ist bislang nicht abschließend geklärt und wird somit der künftigen Rechtsprechung vorbehalten bleiben. Es ist daher im Interesse der Beschäftigten, Unfälle im Zusammenhang mit mobiler Arbeit zu melden, um Entscheidungen der zuständigen Unfallversicherungsträger zum Versicherungsschutz herbeizuführen. Damit besteht dann auch die Möglichkeit, gegen solche Entscheidungen Widerspruch einzulegen und eine gerichtliche Klärung anzustreben.