Strenge Voraussetzungen für die Inhouse-Vergabe einer Wasserkonzession Umsätze aus Betrieb von Freizeitbad erschweren Direktvergabe
Das OLG Naumburg hat mit Urteil vom 03.06.2022 | Az.: 7 U 6/22 Kart festgestellt, dass bei der Vergabe einer Wasserkonzession durch eine Kommune an eine Tochtergesellschaft strenge Anforderungen an die Durchführung von Inhouse-Geschäften gelten. Die Anwendung der Ausnahme in § 108 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen komme nicht in Betracht.
In dem konkreten Fall begehrt die Klägerin, ein mehrheitlich kommunales Wasserunternehmen die Feststellung der Unwirksamkeit des Wasserkonzessionsvertrags, den die beklagte Kommune mit der S-GmbH geschlossen hatte. Die Beklagte ist Alleingesellschafterin der S-GmbH. Die S-GmbH betreibt ein Familien- und Freizeitbad und ein Sportbad und ist von der Beklagten mit der Aufgabe der öffentlichen Straßenbeleuchtung und mit der Durchführung der Wochenmärkte betraut.
Die Wasserversorgung der beklagten Kommune wird bislang in einem Teilgebiet durch die Klägerin durchgeführt und im Übrigen durch die Stadtwerke, eine Tochtergesellschaft der S-GmbH. Nach Beschluss des Stadtrats der Beklagten ohne vorherige Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens soll das bisher von der Klägerin versorgte Teilgebiet künftig durch die S-GmbH versorgt werden. Die Beklagte veröffentlichte die Absicht des Vertragsschlusses ohne Ausschreibung im EU-Amtsblatt, um eine Frist für die Einlegung von Rechtsbehelfen gemäß § 135 GWB festzulegen.
Nachdem sich die S-GmbH im Rahmen der Vorbereitung der Übernahme der Trinkwasserversorgung an die Klägerin gewandt hatte, erhob diese Klage mit der Begründung, eine Vergabe der Wasserkonzession sei mangels Vorliegen der Voraussetzungen eines Inhouse-Geschäfts nicht möglich gewesen.
Das OLG Naumburg sah keine Möglichkeiten für ein Inhouse-Geschäft.
Das OLG stellt eingangs fest, dass der Konzessionsvertrag zwischen der Beklagten und der S-GmbH über die Trinkwasserversorgung nichtig ist, weil die Beklagte mit dem Abschluss ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot verstößt. Die Klägerin habe zunächst nicht die Antragsfrist des § 135 Abs. 2 GWB versäumt. Diese besondere Frist gelte nur im Hinblick auf vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren. Für die Vergabe einer Wasserkonzession komme aber aufgrund der Ausnahme in § 149 Nr. 9 GWB das Vergaberecht insgesamt nicht zur Anwendung. Für die Vergabe einer Trinkwasserkonzession sei grundsätzlich eine angemessene Transparenz herzustellen, welche die an der Konzession interessierten Unternehmen, in die Lage versetze, ihr Interesse zu bekunden.
Diese Transparenzanforderungen seien nicht aufgrund eines Inhouse-Geschäfts entfallen. Insbesondere könnten die Ausnahmeregelungen des § 108 GWB mangels Anwendbarkeit des Vergaberechts weder unmittelbar noch entsprechend angewendet werden. Vielmehr bleibe die bisherige Rechtsprechung des EuGH zu Inhouse-Geschäften anwendbar. Maßgeblich blieben die ursprünglichen bekannten Kriterien für Inhouse-Vergaben: Die Kontrolle des Auftraggebers über die betreffende Einrichtung wie über eigene Dienststellen (Kontrollkriterium) und die Tätigkeit der Einrichtung im Wesentlichen für den kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber (Tätigkeitskriterium). Hier sei das Wesentlichkeitskriterium nicht erfüllt. Die S-GmbH sei nicht im Wesentlichen für die Beklagte tätig, sondern agiere nicht nur in marginalen Bereichen auf einem Markt. Nach der Rechtsprechung des EuGH (betreffend den Zeitraum vor der Vergaberechtsreform) sei eine Mindestquote der auftraggeberbezogenen Tätigkeiten (Eigengeschäfte) von 90 % anzunehmen. Diese Anforderung werde nicht eingehalten.
Problematisch seien die Tätigkeiten des Bäderbetriebs. Hier sei zwischen den verschiedenen Umsatzgruppen zu differenzieren: Die Bereitstellung der Badeeinrichtungen für den Schwimmunterricht der kommunalen Schulen und für die Vereinstätigkeiten der ortsgebundenen Vereine sei als Eigengeschäfte der S-GmbH für die Beklagte zu qualifizieren. Der Betrieb einer Sauna sowie der Handel mit Badezubehör sowie der Imbissbetrieb seien dagegen unstreitig Fremdgeschäfte. Vorliegend seien aber auch der Betrieb jeweils eines Sportbades und eines Freizeitbades für die Allgemeinheit als ein Fremdgeschäft zu bewerten. Der allgemeine Badebetrieb stelle nämlich ein Angebot auf einem liberalisierten Markt zur Freizeitgestaltung dar. Entscheidend sei, dass der Nutzer die freie Auswahl zwischen mehreren Freizeitangeboten habe. Angesichts der differenzierten Betrachtung der Umsätze des Bäderbetriebs sieht das OLG Naumburg insgesamt Fremdumsätze von ca. 40%. Die Voraussetzungen eines Inhouse-Geschäftes sind somit nicht erfüllt, auch nicht bei Annahme der Anwendbarkeit des § 108 GWB.
Trotz Niederlage vor Gericht konnte die betroffene Kommune die Wasserkonzession „inhouse“ vergeben. Dazu musste die Kommune aber zunächst eine neue „inhouse-fähige“ Tochtergesellschaft gründen.