OLG Düsseldorf zur Vergabe von Hilfstätigkeiten durch Sektorenauftraggeber Weite Definition der Sektorentätigkeit bleibt erhalten

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 17.08.2022 | Az.: Verg 50/21 festgestellt, dass die Durchführung von Postdienstleistungen durch ein Energie- und Wasserversorgungsunternehmen eine sog. Sektorenhilfstätigkeit darstellt, die nach den Vorgaben des Sektorenvergaberechts zu vergeben ist und für die ein erhöhter EU-Schwellenwert gilt.

In dem konkreten Fall hatte ein Energie- und Wasserversorgungsunternehmen Postdienstleistungen ohne Durchführung eines EU-weiten-Vergabeverfahrens ausgeschrieben. Der geschätzte Auftragswert lag bei ca. 280.000 Euro netto und damit oberhalb des Schwellenwertes für klassische Dienstleistungsaufträge (von zurzeit 215.000 Euro netto), aber unterhalb des Schwellenwerts für die Vergabe entsprechender Sektorenaufträge (von zurzeit 431.000 Euro netto).

Ein unterlegener Bieter stellte – zunächst mit Erfolg – einen Nachprüfungsantrag und behauptete, die Beschaffung der Postdienstleistungen betreffe keine Sektorentätigkeit im engeren Sinne und hätte daher nach klassischem Vergaberecht EU-weit ausgeschrieben werden müssen. Die Vergabekammer Münster übernahm diese Auffassung in ihrem Beschluss vom 21.10.2021 | Az.: VK 2-41/21.

Das OLG Düsseldorf hielt den Nachprüfungsantrag dagegen für unzulässig. Der maßgebliche Schwellenwert für die Vergabe von Sektorenaufträgen werde nicht erreicht. Die Vergabe unterliege daher nicht der Nachprüfung nach den Vorgaben des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Bei der streitgegenständlichen Vergabe von Postdienstleistungen handele es sich um einen Auftrag, der von einem Sektorenauftraggeber zum Zwecke der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben worden sei. Sektorenaufträge seien nicht nur solche Aufträge, die unmittelbar im Bereich einer der Sektorentätigkeiten (Energie, Trinkwasser oder Verkehr) vergeben werden, sondern auch solche Aufträge, die, obwohl sie anderer Art sind und damit als solche eigentlich in den Anwendungsbereich der allgemeinen Vergaberichtlinie fallen können, der Ausübung der Sektorentätigkeiten dienen. Ausreichend sei ein Zusammenhang mit der ausgeübten Sektorentätigkeit in dem Sinn, dass dieser Auftrag im Zusammenhang mit und für die Ausübung von Tätigkeiten in diesem Sektor vergeben werde.

Allerdings könne der Zusammenhang zwischen dem fraglichen Auftrag und diesem Sektor nicht beliebiger Art sein. Um feststellen zu können, dass zwischen diesem Auftrag und der Tätigkeit im Sektor ein hinreichender Zusammenhang bestehe, genüge es daher nicht, dass die Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Auftrags sind, einen positiven Beitrag zu den Tätigkeiten des Auftraggebers leisten und deren Rentabilität erhöhen. Die Auftragstätigkeiten müssten der Ausübung der Tätigkeit im Sektor tatsächlich dienen, indem sie es ermöglichen, diese Tätigkeit im Hinblick auf ihre üblichen Ausübungsbedingungen angemessen zu bewerkstelligen.

Eine Unterscheidung von unmittelbar der Sektorentätigkeit dienenden Aufträgen und lediglich mittelbar dienenden Beschaffungen würde aber in der Praxis zu unlösbaren Abgrenzungsproblemen führen.

Vor diesem Hintergrund seien die streitgegenständlichen Postdienstleistungen Tätigkeiten zum Zwecke der Ausübung der Sektorentätigkeit Trinkwasserversorgung. Ohne postalische Kommunikation mit Lieferanten und Kunden sei der Betrieb eines Trinkwasserversorgungsnetzes nicht angemessen zu bewerkstelligen, so das OLG Düsseldorf.

Die Entscheidung des Gerichts, an einer weiten Definition der Sektorentätigkeit und damit des Sektorenauftrags festzuhalten, ist sehr zu begrüßen. Eine anderslautende Entscheidung hätte einen deutlichen Mehraufwand für die Beschaffungstätigkeit bei den öffentlichen Unternehmen in den Bereichen der Energie- und der Trinkwasserversorgung sowie des Verkehrs (sog. Sektoren) verursacht.