OLG Düsseldorf: BNetzA-Festlegung Xgen Strom rechtswidrig Jahr 2006 durfte nicht berücksichtigt werden
Die Bundesnetzagentur-Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für Stromnetzbetreiber für die dritte Regulierungsperiode in der Anreizregulierung ist rechtswidrig. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf am 16.03.2022 entschieden.
Seit der dritten Regulierungsperiode hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) gemäß § 9 Abs. 3 Anreizregulierungsverordnung den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach Maßgabe von Methoden, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen, zu ermitteln. Er wird ermittelt aus der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung von der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung. Er fließt in die netzbetreiberindividuellen Erlösobergrenzen ein und enthält eine Kostensenkungsvorgabe – zusätzlich zur regulierungsbehördlichen Effizienzvorgabe des jeweiligen Netzbetreibers.
Die BNetzA hat mit Beschluss vom 28.11.2018 l Az.: BK4-18-056 für die Dauer der dritten Regulierungsperiode einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor für Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen in Höhe von 0,90 % für die Bestimmung der Erlösobergrenze festgelegt. Es gab bereits im Rahmen dieses Festlegungsverfahren Kritik aus der Branche. Neben der Frage nach der Existenzberechtigung eines Produktivitätsfaktors größer Null wurde insbesondere die Einbeziehung des Jahres 2006 bei der Ermittlung des Faktors kritisiert, da dieses zu viele Besonderheiten aufweise und daher nicht aussagekräftig und belastbar sei. Gegen die BNetzA-Festlegung haben Stromversorgungsnetzbetreiber Beschwerde zum OLG Düsseldorf eingelegt.
Das OLG Düsseldorf hat ihnen Recht gegeben und mit mehreren erst im April veröffentlichten Beschlüssen vom 16.03.2022 l Az.: 3 Kart 53/19 (V), 3 Kart 72/19 (V), 3 Kart 128/19 (V), 3 Kart 191/19 (V), 3 Kart 526/19 (V) und 3 Kart 637/19 (V) die BNetzA-Festlegung aufgehoben und die BNetzA verpflichtet, über die Festlegung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Die BNetzA habe die Höhe des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors rechtswidrig ermittelt und festgesetzt, indem sie den Beurteilungsspiel-raum, der ihr bei Anwendung der sog. Törnqvist-Methode bei der Wahl des Betrachtungszeitraums, des sog. Stützintervalls, zusteht, rechtsfehlerhaft ausgefüllt habe. Hier sei die Einbeziehung des Jahres 2006 zu bemängeln. Darüber hinaus sei ihre Auswahlentscheidung hinsichtlich des als Deflator für die Umsatzerlöse herangezogenen Monitoring-Index zu beanstanden, da sie dessen Eignung unzureichend begründet habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem rechtmäßigen Vorgehen ein insgesamt niedrigerer genereller sektoraler Produktivitätsfaktor von der BNetzA hätte festgesetzt werden müssen als der von ihr festgesetzte Wert von 0,90 %.
Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Es ist davon auszugehen, dass die BNetzA auch Rechtsbeschwerde einlegen und damit versuchen wird, ihre Festlegung weiterhin aufrecht zu erhalten. Da die OLG-Entscheidung nicht rechtskräftig ist, ist der von der BNetzA festgelegte Produktivitätsfaktor weiterhin in festgelegter Höhe zu berücksichtigen, solange der BGH – ggf. im Laufes des kommenden Jahres - nichts Anderes entscheidet. Im Gasbereich hatte sich der BGH bereits mit dem von der BNetzA festgelegten generellen sektoralen Produktivitätsfaktor befasst und diesen bestätigt, nachdem das OLG Düsseldorf - auch hier - entschieden hatte, dass dieser rechtwidrig ist. Das OLG hatte aber nun bei der Befassung mit der BNetzA-Festlegung für Stromnetzbetreiber die Möglichkeit, seine Entscheidung an den vom BGH entwickelten Vorgaben zur Überprüfbarkeit der Ausübung des regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums bei der Ermittlung des Produktivitätsfaktors zu messen. Dies hat es auch getan, so dass zu hoffen bleibt, dass die OLG-Entscheidung auch vor dem BGH Bestand haben wird.