Einseitige Änderung unwirksamer Preisänderungsklausel durch öffentliche Bekanntgabe Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass zumindest nach der bis zum 05.10.2021 geltenden Fassung der AVBFernwärmeV einseitige Anpassungen von Preisänderungsklauseln im Wege der öffentlichen Bekanntgabe zulässig und rechtens waren (Urteil vom 26.01.2022, Az.: VIII 175/19).
Ausgangspunkt der Entscheidung ist, dass die ursprüngliche Preisanpassungsklausel für den Arbeitspreis im streitgegenständlichen Fernwärmelieferungsvertrags gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV in Verbindung mit§ 134 BGB nichtig war. Sie verstieß gegen das in § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV verankerte Gebot der Kostenorientierung, da der gewählte Preisänderungsparameter die tatsächlichen Brennstoffbezugskosten nicht ausreichend abbildet. Zur näheren Begründung verweist der BGH insoweit auf das dieselbe Preisanpassungsklausel betreffende Senatsurteil vom 18.12.2019 (Az.: VIII ZR 209/18, bestätigt durch Senatsurteile vom 10.03.2021, Az.: VIII ZR 200/18 und vom 24.03.2021, Az.: VIII ZR 202/18, VIII ZR 207/1 und VIII ZR 205/18).
Diese nichtige Preisanpassungsklausel kann insoweit auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) durch eine die Weitergabe von Bezugskostensteigerungen erlaubende Klausel ersetzt werden.
Der beklagte Fernwärmeversorger war aber nach § 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV berechtigt, die von ihm verwendete unwirksame Klausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft an die Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV anzupassen, um auf dieser Grundlage fortan den Wärmepreis zu berechnen.
Gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBFernwärmeV steht einem Wärmeversorger kein einseitiges Preisbestimmungsrecht nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB zu.
Preisanpassungen dürfen sich während eines laufenden, langfristigen Wärmeversorgungsverhältnisses ausschließlich über Preisänderungsklauseln nach Maßgabe des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV vollziehen. Gemäß § 4 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 24 AVBFernwärmeV ist ein Wärmeversorger daher während der Vertragslaufzeit eines Wärmeliefervertrages grundsätzlich berechtigt, eine Preisänderungsklausel einseitig – jedoch (nur) mit Wirkung für die Zukunft – anzupassen. Dieses einseitige Anpassungsrecht umfasst aber nur den Fall einer von Anfang an unwirksamen Preisänderungsklausel sowie den Fall einer erst nachträglich unwirksam gewordenen Preisänderungsklausel (z. B. durch Änderungen im Rahmen der Erzeugung oder Beschaffung der Wärme). Es besteht hingegen kein Recht eines Wärmeversorgers, eine wirksame Preisänderungsklausel einseitig zu ändern. Eine einseitig angepasste Preisänderungsklausel muss den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV genügen.
Die seit 05.10.2021 geltende Neuregelung des § 24 Abs. 4 Satz 4 AVBFernwärmeV, wonach eine Änderung einer Preisänderungsklausel nicht einseitig durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen darf, schließt eine einseitige Änderung einer unwirksamen bzw. unwirksam gewordenen Preisänderungsklausel nicht aus. Die neue Regelung soll nach Auffassung des BGH lediglich die einseitige Änderung einer (wirksamen) Preisänderungsklausel zum Nachteil der Kunden verhindern Offensichtlich habe der Verordnungsgeber das das BGH-Urteil vom 19.07.20217 (Az.: VIII ZR 268/15) missverstanden. Mit diesem Urteil habe der BGH nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass kein einseitiges Änderungsrecht einer Preisänderungsklausel durch öffentliche Bekanntgabe bestehe. Spannend wird daher nun die Frage, ob der Verordnungsgeber bei der noch ausstehenden Novelle der AVBFernwärmeV das BGH-Urteil berücksichtigt und umsetzt mit der Folge, dass die Neuregelung des § 24 Abs. 4 Satz 4 AVBFernwärmeV wieder aufgehoben wird.