Finanzverwaltung veröffentlicht Anwendungsschreiben
Steuerbefreiung für Kostenteilungszusammenschlüsse nach § 4 Nr. 29 UStG

Am 19.07.2022 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) das Anwendungsschreiben zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG veröffentlicht. Danach können Leistungen von Kostenteilungszusammenschlüssen an ihre Mitglieder unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerfrei sein. Auch in der kommunalen Entsorgungswirtschaft könnte es Anwendungsfälle geben.

08.08.22

Zum 01.01.2020 wurde § 4 Nr. 29 UStG in das Umsatzsteuergesetz aufgenommen. Unionsrechtliche Grundlage ist Art. 132 Abs. 1 Buchstabe f Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, der zuvor unzureichend umgesetzt war. Danach sind Leistungen von Kostenteilungszusammenschlüssen an ihre Mitglieder unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei.

Das BMF-Schreiben wurde lange erwartet, denn je nach Auslegung, hat die Steuerbefreiung das Potential, in einigen Fällen die nachteiligen Auswirkungen der restriktiven Auslegung des § 2b UStG für interkommunale Kooperationen abzumildern. Erfreulicherweise lässt das BMF-Schreiben Raum für Anwendungsfälle und Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der kommunalen Entsorgungswirtschaft. Nachfolgend werden die aus VKU-Sicht wesentlichen Punkte erläutert:

Selbständiger Zusammenschluss

Der Zusammenschluss muss selbstständig sein und mindestens zwei Mitglieder haben. Auch Leistungen von Zweckverbänden, Anstalten des öffentlichen Rechts und Wasser-und Bodenverbände an Mitgliedskommunen können steuerbefreit sein. Das gilt z.B. auch für Personen- und Kapitalgesellschaften, Genossenschaften oder Vereine.

Dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit der Mitglieder

Das die Leistung empfangende Mitglied muss dem Gemeinwohl dienende nicht steuerbare Leistungen oder steuerfreie Leistungen i.S.d. § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 UStG erbringen. Für die öffentliche Hand kommt der Alternative der dem Gemeinwohl dienenden nicht steuerbaren Tätigkeit Bedeutung zu. Gerade die Auslegung dieser Alternative war umstritten. Dies kam dadurch zum Ausdruck, dass der Entwurf des BMF-Schreibens zur Auslegung zwei Formulierungsalternativen enthielt.

Die erste Alternative sah vor, dass nicht steuerbare Tätigkeiten der Mitglieder nur dann erfasst sind, wenn die Tätigkeiten, wären sie steuerbar, nach § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 UStG steuerbefreit wären. Diese Regelung hätte zur Folge gehabt, dass § 4 Nr. 29 UStG im kommunalen Bereich praktisch keinen Anwendungsbereich gehabt hätte. VKU und kommunale Spitzenverbände hatten dies in ihrer gemeinsamen Stellungnahme abgelehnt.

Erfreulicherweise orientiert sich das finale BMF-Schreiben an der 2. Alternative. Demnach zählen zu den dem Gemeinwohl dienenden nicht steuerbaren Tätigkeiten u. a. die nach § 2b UStG nicht unternehmerischen Tätigkeiten der Kommunen, soweit diese z. B. ihre gesetzlich zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen. Damit ergeben sich im Bereich der kommunalen Entsorgungswirtschaft Anwendungsmöglichkeiten. Betreibt z.B. ein Zweckverband eine Kläranlage oder ein Müllheizkraftwerk für seine entsorgungspflichtigen Mitgliedskommunen, und sind auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt, sollte keine Umsatzsteuer anfallen.

Nur sonstige Leistungen sind steuerbefreit

Nur sonstige Leistungen des Zusammenschlusses an die Mitglieder können steuerfrei sein. Lieferungen sind von der Regelung nicht umfasst.

Unmittelbarkeit

Die von dem Zusammenschluss an ein Mitglied erbrachte Leistung muss zur Ausführung der begünstigten Zwecke unmittelbar verwendet werden. Das BMF-Schreiben enthält Beispiele, bei denen dies erfüllt ist. Z.B. soll die Steuerbefreiung greifen, wenn durch den Zusammenschluss IT-Infrastruktur, die auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten ist, bereitgestellt und ihr Betrieb, die Betreuung oder die diesbezügliche Administration übernommen wird. Damit dürften Leistungen von kommunalen Rechenzentren an die Mitgliedskommunen steuerfrei gestaltet werden können. Erbringt der Zusammenschluss allgemeine Verwaltungsleistungen (Buchführung, Rechtberatung, Back-Office-Tätigkeiten), soll § 4 Nr. 29 UStG unanwendbar sein.

Keine Wettbewerbsverzerrung

Die Steuerbefreiung darf zu keiner Wettbewerbsverzerrung führen. Der Wettbewerbsbegriff wird hier anders ausgelegt, als im Rahmen des § 2b UStG. Während bei § 2b UStG jede Tätigkeit, die potentiell auch ein Privater ausüben könnte, als wettbewerbsrelevant abzusehen ist, kommt es bei § 4 Nr. 29 UStG zu einer engeren Auslegung. Im Grunde ist nur in Fällen von missbräuchlichen Gestaltungen davon auszugehen, dass es sich die Nichtbesteuerung den Wettbewerb verzerrt.

Genaue Kostenerstattung

Der Zusammenschluss darf von seinen Mitgliedern nur die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern. Dies impliziert, dass der Zusammenschluss ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden muss. Sofern Überschüsse erzielt werden, müssen diese ausschließlich dazu bestimmt sind, der Finanzierung künftiger Investitionen zu dienen.