Kundenanlagen
Wie geht es nach den Gerichtsentscheidungen weiter?

Nachdem der Begriff der Kundenanlage durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) infrage gestellt wurde, hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) den Ausgangsrechtsstreit entschieden (BGH, Beschluss vom 13.05.2025). Nun ist der Gesetzgeber gefragt, rechtssichere Rahmenbedingungen, u.a. für sog. Quartiersprojekte, zu schaffen.

23.07.25

Im Rahmen der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im Jahre 2011 wurde u.a. der Begriff der Kundenanlage (§ 3 Nr. 24a) eingeführt. Dies sollte der Bestimmung des Punktes dienen, an dem das regulierte Netz endet und die unregulierte Kundenanlage beginnt. Ziel der Regelung war die Klarstellung, welche Anlagen sich den Regulierungsanforderungen zu stellen haben. Nach einer Reihe von Rechtsstreitigkeiten anlässlich konkreter Netzanschlussbegehren hatte der BGH in 2019 und 2020 klargestellt, wie die in der Regelung enthaltenen unbestimmten Begriffe auszulegen sind.  Dies hat Rechtssicherheit u.a. für sog. Quartiersprojekte geschaffen, bei denen Leitungssysteme auf einem größeren Areal betrieben werden, über die eine größere Anzahl von Letztverbrauchern u.a. mit Strom aus vor Ort erzeugter erneuerbarer Energie versorgt werden.

Ende 2022 hat der BGH einen ihm vorliegenden Rechtsstreit zum Anlass genommen, dem EuGH (mittelbar) die Frage nach der Vereinbarkeit der deutschen Ausnahmeregelung des § 3 Nr. 24a EnWG mit der EU-Strombinnenmarktrichtlinie vorzulegen. Nach bisheriger höchstrichterlicher Auslegung wären die streitgegenständlichen Leitungssysteme als Kundenanlage zu qualifizieren. Der BGH zweifelte jedoch an der Vereinbarkeit der Regelung bzw. seiner Auslegung mit den europarechtlichen Vorgaben. Der EuGH hat daraufhin mit Urteil vom 28.11.2024 l Rs. C‑293/23 mittelbar entschieden, dass der Begriff der Kundenanlage gemäß § 3 Nr. 24a EnWG und seine Auslegung durch die Regulierungsbehörden und die Rechtsprechung nicht richtlinienkonform bzw. zu weitgehend und damit unvereinbar mit den Vorgaben der Strombinnenmarktrichtlinie ist.

Der BGH hat daraufhin erwartungsgemäß mit Beschluss vom 13.05.2025 l Az.: EnVR 83/20  entschieden, dass es sich bei den streitgegenständlichen Leitungssystemen nicht um eine Kundenanlage, sondern um ein Verteilernetz handelt. Anfang Juli wurde die Entscheidungsbegründung veröffentlicht. Der BGH sieht trotz der weiten Auslegung des Begriffs des Verteilernetzes noch einen Anwendungsbereich für den EnWG-Begriff der Kundenanlage. Erfasst seien jedenfalls sämtliche Leitungssysteme, die der Weiterleitung von Elektrizität dienen, die nicht zum Verkauf bestimmt ist. Das seien etwa Energieanlagen, die der Eigenversorgung der Betreiber dienen, also beispielsweise mit Erzeugungsanlagen verbundene Leitungssysteme, die von Eigentümern einer Wohnungseigentumsanlage oder Grundstückseigentümern gemeinsam betrieben und genutzt werden.

Der Gesetzgeber muss nun für die notwendige Rechtssicherheit sorgen. Der VKU steht hierzu im Austausch mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Auch wenn der BGH mit seinen Ausführungen Anknüpfungspunkte zur Rettung von Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung (§ 3 Nr. 24b EnWG) bietet, ist derzeit noch unklar, inwieweit im Rahmen von Kundenanlagen nach § 3 Nr. 24a EnWG betriebene und zur Energiewende beitragende Quartiersprojekte aufrechterhalten werden können. Eine Reihe von Geschäftsmodellen in diesem Bereich dürften zukünftig nicht mehr wie bisher zu verwirklichen sein. Mit einer kurzfristigen Lösung durch den Gesetzgeber ist aufgrund der Komplexität der Thematik nicht zu rechnen. Wie in der Praxis bis zu einer Gesetzesänderung verfahren werden soll, ist unklar. Die Bundesnetzagentur hat sich bisher nur sehr allgemein zu den Gerichtsentscheidungen und den daraus folgenden Konsequenzen geäußert. Aus Sicht des VKU dürfte es gut vertretbar sein, bis zu einer Gesetzesänderung oder konkreteren Äußerung der Regulierungsbehörden Leitungssysteme, die als Kundenanlagen nach bisher praktizierter Rechtslage zu qualifizieren sind, auch als solche an das Versorgungsnetz anzuschließen. Gleichzeitig sollten Netzanschlusspetenten darauf hingewiesen werden, dass sich diese Qualifizierung aufgrund der vorgenannten EuGH- und BGH-Entscheidung zukünftig in vielen Fällen, auch rückwirkend, ändern könnte.