Energiepolitische Entscheidungen

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Vergangene Woche haben Bundestag und Bundesrat mehrere energiepolitisch bedeutsame Entscheidungen getroffen, darunter Anpassungen im EEG und KWKG, eine Regulierung für Wasserstoffnetze und eine Novelle der Anreizregulierungsverordnung. Die entsprechenden Meinungsbildungsprozesse hat der VKU eng begleitet. Für zusätzliche Dynamik sorgte dabei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Bundes-Klimaschutzgesetz. Es führte zu einer Anhebung der Klimaschutzziele mit weitreichenden Folgen insbesondere für die Energiewirtschaft. Das zeitgleich vorgelegte Sofortprogramm greift zwar die VKU-Forderung nach konkreten Umsetzungsschritten auf. Dennoch wurden wesentliche Maßnahmen zur Erreichung der neuen Klimaschutzziele nicht mehr beschlossen. Dies wird die Aufgabe des nächsten Bundestags und der von ihm gewählten Bundesregierung sein. Nachfolgend geben wir Ihnen einen kompakten Überblick über die wichtigsten aktuellen Entscheidungen. Zum Download haben wir eine Liste mit Themen und zugehörigen Links zu weiterführenden Informationen beigefügt.

Die Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes hebt die Klimaziele infolge des BVerfG-Beschlusses deutlich an. Mit Blick auf die Klimaneutralität bereits 2045 sollen die Emissionen bis 2030 nun um mindestens 65 % und bis 2040 um mindestens 88 % reduziert werden. Zusätzliche Emissions¬einsparungen sollen vor allem seitens der Energiewirtschaft und Industrie erfolgen. Bestehende politische Beschlüsse, wie z. B. der Kohleausstieg, müssen auf ihre Kompatibilität mit den neuen Zielen überprüft und können so de facto obsolet werden. Um kurzfristige Impulse für den Klimaschutz zu setzen, hat die Bundesregierung mit der Novelle ein Sofortprogramm mit einem Finanzvolumen von 8 Mrd. Euro bis 2025 beschlossen. Die enthaltenen Maßnahmen stocken vorhandene Programme auf, darunter u. a. die Bundesförderung effizienter Gebäude (BEG). Interessant ist die Einführung von Klimaschutzverträgen, die den Einstieg in eine laufende Förderung von Klimaschutzinvestitionen markiert, wenngleich die Anwendung noch auf die Grundstoffindustrien beschränkt bleibt.

Um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren, hat sich die große Koalition im Nachgang zum EEG 2021 u. a. auf zusätzliche Ausschreibungsmengen für Solar- und Windenergie im Jahr 2022 geeinigt: 4 GW Windkraft (statt 2,9 GW) und 6 GW Solarenergie (statt 1,9 GW). Eine langfristige, für das Erreichen der Klimaziele notwendige Erhöhung der Ausbaupfade über 2022 hinaus kam allerdings nicht zustande. Der VKU setzte sich unterdessen erfolgreich für Erleichterungen beim Repowering bestehender Windkraftanlagen (§ 16b BImSchG) sowie für eine Anschlussförderung der klimafreundlichen Verstromung von Grubengas (§ 102 EEG) ein. Zudem wurden für Stromspeicher Entlastungen von der EEG-Umlage sowie eine finanzielle Beteiligungsmöglichkeit der Kommunen bei Freiflächen-PV beschlossen.

Ein gemeinsamer Regulierungsrahmen für Gas- und Wasserstoffnetze stellt eine wichtige Weichenstellung dar. Nur so kann die Transformation der (Erd-)Gasinfrastruktur hin zu einem Netz klimaneutraler Gase als Voraussetzung für den Markthochlauf einer tragfähigen Wasserstoffwirtschaft gelingen. Zwar sieht die aktuelle Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) dies noch nicht vor. Allerdings ist es gelungen, im neuen EnWG das Ziel einer integrierten Regulierung festzuschreiben. Dazu soll das BMWi lt. Entschließungsantrag einen Gesetzentwurf erarbeiten, sobald dies europarechtlich möglich ist. Vorschläge sind im Rahmen eines Konzepts zum Aufbau des deutschen Wasserstoffnetzes bis Ende 2022 zu entwickeln. Des Weiteren wurden mit der EEG-2021-Verordnung Kriterien für die Vollbefreiung von der EEG-Umlage bei Wasserstofferzeugung durch Wasser-Elektrolyse definiert. Kritisiert hat der VKU hier die Festlegung, wonach ausschließlich der mit dieser Technologie produzierte Wasserstoff als grün gelten soll. Hier bleibt eine Öffnung für weitere klimaneutrale Erzeugungstechnologien notwendig.

Die Verteilnetzbetreiber stehen nach der Verschärfung der Klimaschutzziele vor erheblichen Herausforderungen, die in der Anreizregulierung berücksichtigt werden müssen. Zum Systemumbau als Folge von Kernkraft- und Kohleausstieg und der dezentralen Einspeisung erneuerbarer Energien treten Veränderungen auf der Abnahmeseite durch volatile Verbrauchseinrichtungen und Elektromobilität hinzu. Zugleich führen Politik und Fachöffentlichkeit aufgrund der neuen Klimaziele eine Diskussion über die Zukunft der Gasinfrastruktur. Daher hat der VKU in Gesprächen mit der Bundesnetzagentur (BNetzA) und der Politik in Bund und Ländern intensiv für investitionsfreundliche Regelungen geworben. Dies betraf neben der im Herbst anstehenden Festlegung des künftigen Eigenkapitalzinses I für die 4. Regulierungsperiode aktuell vor allem die Novelle der Anreizregulierungsverordnung (ARegV), die am vergangenen Freitag dem Bundesrat zur Zustimmung vorlag. Hierbei konnte als erster Schritt zur Stärkung der Unternehmen eine Anpassung des Zinssatzes für das sog. überschießende Eigenkapital (EK II) und für die Verlängerung der Übergangsregelungen zum Sockeleffekt erreicht werden.

Auch im Bereich Fernwärme haben sich Neuerungen ergeben. So wurden im KWKG Übergangsregelungen für Anlagen zwischen 500 kW und 1 MW, die aufgrund einer frühzeitigen verbindlichen Bestellung nicht vom Systemwechsel hin zu Ausschreibungen betroffen sein sollen, eingeführt. Vor dem Hintergrund möglicher Corona-bedingter Verzögerungen kam es für Wärmenetze zur Verlängerung bestehender Fristen für das Erreichen des Effizienzkriteriums um 48 Monate. Beide Bestimmungen stehen noch unter beihilferechtlichem Vorbehalt. Darüber hinaus konnte der VKU im politischen Raum erfolgreich für eine langfristig gesicherte Mittelausstattung für die geplante Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) werben, allerdings steht die Konsultation sowie die Veröffentlichung einer entsprechenden Förderrichtlinie noch aus. Das Erhalten der Mieterdirektverträge im Rahmen der Novelle der FFVAV ist zu begrüßen.

Kleinere Fortschritte konnten beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität erreicht werden. So setzte sich der VKU im Rahmen der Konsultation erfolgreich für Anpassungen im Schnellladegesetz ein. Dessen Ausschreibungsdesign berücksichtigt nun auch explizit kleinere Unternehmen. Ebenso begrüßt der VKU, dass die Beschlussfassung des Bundesrates zur Ladesäulenverordnung in Hinblick auf die laufende Novellierung der EU-Regelungen (AFID-Novelle) verschoben wurde. Der VKU hatte die in der Verordnung aufgeführte Verpflichtung zum Einbau von Kartenlesegeräten deutlich kritisiert. Mit der verabschiedeten Übergangsregelung für Ladeinfrastruktur für Elektromobile im EnWG wird zudem geregelt, dass Ladepunkte, die von Stromverteilernetzbetreibern bereits vor dem Inkrafttreten der EnWG-Änderungen entwickelt, verwaltet oder betrieben worden sind, bis zum 31.12.2023 weiter von ihnen betrieben werden können.

Die Expertenkommission zum Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft" stellt der Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis bei Energieeffizienz aus. Dabei stellt insbesondere die kapitalintensive Steigerung der Energieeffizienz im Bestandsgebäudesektor einen Schlüssel zur Erreichung der Klimaneutralität dar. Der VKU begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem Sofortprogramm zum Klimaschutzgesetz die zum 01.01.2021 aufgelegte "Bundesförderung für effiziente Gebäude" in den nächsten 2 Jahren um insgesamt 4,5 Mrd. EUR aufstocken will. Nur durch eine massive finanzielle Unterstützung können umfangreiche energetische Sanierungen angestoßen und Lock-In-Effekte vermieden werden.

Neben der Regelung des Betriebs von Wasserstoffnetzen, der Umsetzung von Vorgaben der 2019 neugefassten EU-Strombinnenmarktrichtlinie und Änderungen des EEG und KWKG enthält das EnWG-Omnibus-Gesetz auch Änderungen des Messstellenbetriebsgesetzes, die den (weiteren) Rollout intelligenter Messsysteme gewährleisten sollen. Die umfangreichen Gesetzesänderungen werden im Wesentlichen voraussichtlich bereits im Juli 2021 in Kraft treten. Ob in Umsetzung der EU-Strombinnenmarkt-Richtlinie auch noch ergänzend zu den vertrieblichen Neuregelungen im EnWG Änderungen zur StromGVV und GasGVV hinzukommen, hängt davon ab, ob die Bundesregierung den insoweit vom Bundesrat am 25.06.2021 beschlossenen Änderungen zustimmt und die hiernach geänderten Verordnungen in Kraft treten können.