Illiquider OTC-Handel
OTC-Terminhandel trocknet aus

Für den Börsenhandel existiert ein Rettungsschirm. Für den OTC-Handel gibt es bislang keine Lösung für die gestiegenen Besicherungsanforderungen. Der VKU fordert Bürgschaftsprogramme für Stadtwerke, um den Terminhandel zu sichern.

10.08.22

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Mit einem Großhandelspreisniveau bei Erdgas von über 200 €/MWh verzeichnet Deutschland eine noch nie dagewesene Preisexplosion. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das eine Preissteigerung um das Acht- bis Zehnfache.Bei der Umsetzung der Beschaffungsstrategie bewegen sich Energieversorger im unten skizzierten Dreieck und müssen abwägen zwischen Liquiditätsrisiken an der Börse durch die dort geforderten Sicherheitsleistungen und Kontrahentenausfallrisiken in der außerbörslichen Terminbeschaffung sowie Preisänderungsrisiken bei der Beschaffung auf den Spotmärkten.
 

Analog zu den Preisniveau- und Preisvolatilitätssteigerungen der letzten Monate haben sich all diese Beschaffungsrisiken vervielfacht. Stadtwerke beschaffen risikoavers. Die im Vertrieb verkauften Energiemengen werden in Tranchen bis zu drei Jahre im Voraus eingekauft. Diese Beschaffungsstrategie schützt die Energiekunden vor Preisrisiken. Dabei nutzen sie überwiegend die außerbörslichen Handelsplätze (OTC). An der Börse (z. B. EEX) beschaffen dagegen nur wenige Stadtwerke. Für diese Unternehmen existiert bereits ein Rettungsschirm. Auch kommunale Energieversorger sind antragsberechtigt, wenngleich eine für Stadtwerke – als Nettokäufer an der Börse – sehr relevante Einschränkung in dem Rettungsschirm besteht. Der VKU hatte am 29.07.2022 seine Mitgliedsunternehmen darüber informiert und das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zur Verfügung gestellte Merkblatt als Anlage beigelegt.

Für den außerbörslichen OTC-Handel existiert bislang kein Rettungsschirm. Durch die erheblichen Preissteigerungen auf den Großhandelsmärkten sind die Handelslimite der meisten Stadtwerke bereits ausgereizt. Ein OTC-Terminhandel ist nur noch mit wenigen Handelspartnern möglich, von denen aber kaum noch oder überteuerte Angebote kommen. Der OTC-Handel als wichtigster Handelsplatz für kommunale Energieversorger verliert so massiv an Liquidität und droht auszutrocknen. Stadtwerke werden dadurch gezwungen, ihre Beschaffung zunehmend an den Kurzfristmärkten (Spotmarkt) vorzunehmen, wo sie aufgrund der krisenbedingt stark zugenommenen Preisvolatilität einem extrem hohen Preisänderungsrisiko unterliegen. Die Vorteile einer strukturierten Beschaffung im Sinne von Preissicherheit für die Energiekunden drohen so verloren zu gehen. In einigen Fällen fordern einige Verkäufer, die außerbörslich noch Angebote stellen, Kreditbürgschaften von Stadtwerken als Bedingung für die Weiterbelieferung.

Bei den genannten Herausforderungen im OTC ist ein Wechsel in die Börsenbeschaffung für viele Stadtwerke dennoch keine Option. Nicht nur höhere Entgelte für die Börsenzulassung, fehlende Prozesse im eigenen Unternehmen und personelle Ressourcen für die Börsenbeschaffung hindern einen schnellen Umstieg. Vor allem das in der Börsenbeschaffung immanent hohe Liquiditätsrisiko durch die dort zu leistenden Sicherheitszahlungen halten die kommunalen Energieversorger davon ab.

Strukturiert zu beschaffen bedeutet auch, Einkäufe zu den aktuell hohen Marktpreisen im Großhandel zu tätigen. Dreht das Marktumfeld und die Preise sinken, sind es die Stadtwerke, die als Käufer an der Börse Liquidität für Sicherheitsleistungen stellen müssen. Dafür können bis zur Fälligkeit des Börsentermingeschäfts dreistellige Millionenbeträge für die Leistung der Variation Margin, die handelstäglich Verluste ausgleicht, erforderlich werden. Über solche Puffer verfügen in der Regel nur die wenigsten Stadtwerke. Die Beschränkung des Börsen-Rettungsschirms, Liquiditätshilfen für die Variation Margins nur den Verkäufern an der Börse zu gewähren, verschließt den Stadtwerken die Tür zum möglichen Wechsel in die Börsenbeschaffung.

Der VKU fordert seit Monaten, auch den außerbörslichen Energiehandel unter einen Rettungsschirm zu stellen. Den Stadtwerken muss auch weiterhin der außerbörsliche Energiehandel ermöglicht werden, um bei der Belieferung der Kundinnen und Kunden Preissicherheit gewährleisten zu können. Neben einer Öffnung des Börsen-Rettungsschirms für die Interessen der Stadtwerke fordert der VKU für den OTC Bürgschaftserklärungen des Bundes, um die gestiegenen Besicherungsanforderungen in OTC-Geschäften abzusichern und dessen Liquidität wiederherzustellen. Andernfalls drohen der Zusammenbruch dieses Marktes und für die Stadtwerke der Wegfall der Möglichkeit zur strukturierten Beschaffung. Die Konsequenz wären extrem volatile und noch stärker steigende Endkundenpreise.