Unlauterer Wettbewerb
Werbung für Heizstromtarife mit Doppeltarifzählern auf dem Prüfstand

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 27.03.2025 | Az.: I ZR 65/22 fest-gestellt, dass ein Energieversorgungsunternehmen bei der Bewerbung eines Heizstromtarifs unter Verwendung von Doppeltarifzählern eine Irreführung durch Unterlassen begehen kann, wenn es nicht hinreichende Informationen zur sog. Ausgleichsmenge angibt.

12.05.25

In dem zugrundeliegenden Fall verlangt die Klägerin, der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), von dem beklagten Energieversorgungsunternehmen, das private Haushalte mit Strom beliefert, darunter auch Kunden, die Strom für eine Nachtstromspeicherheizung beziehen (sog. Heiz- oder Wärmestrom), bessere Informationen im Zusammenhang mit der Werbung für Heizstromtarife.  Während in der Nacht liegender Freigabestunden bietet die Beklagte ihren Strom für diese Kunden zu einem Niedertarif (NT) an. Dieser ist günstiger als der in den sonstigen Stunden geltende Hochtarif (HT). Kunden mit Nachtstromspeicherheizungen nutzen Strom im Niedertarif, um ihre Heizungen aufzuladen.  Im vorliegenden Fall wird bei den Kunden der Verbrauch von Heizstrom und Allgemeinstrom gemeinsam erfasst. Dabei kommt ein Doppeltarifzähler mit zwei Laufwerken zum Einsatz. Mit einem Laufwerk wird der Stromverbrauch während der Freigabestunden zum Niedertarif, mit dem anderen der Stromverbrauch während der sonstigen Stunden zum Hochtarif erfasst. Allerdings fällt während der Geltung des Niedertarifs neben Heizstrom auch Allgemeinstrom an, der nicht separat erfasst werden kann.  Einige Verteilernetzbetreiber geben Stromlieferanten daher eine sogenannte Ausgleichsmenge vor, mit der pauschaliert ein Teil des zum Niedertarif gemessenen Stromverbrauchs nach dem Hochtarif abgerechnet wird. Die Beklagte gibt die von den Netzbetreibern festgelegte Ausgleichsmenge an ihre Kunden weiter. Der örtliche Netzbetreiber am Sitz der Beklagten gibt ihr eine Ausgleichsmenge von 25 % vor. In den AGB der Beklagten wird die Ausgleichsmenge erwähnt. Der Tarifrechner für Stromtarife auf der Internetseite der Beklagten enthält jedoch keinen weiteren Hinweis auf die Ausgleichsmenge.  Die Klägerin fordert daher von der Beklagten, es zu unterlassen, für einen entsprechenden Stromtarif ohne Hinweis auf die aktuelle Ausgleichsmenge zu werben. Die Klage wurde in den ersten beiden Instanzen abgewiesen.  Der BGH hatte sodann dem EuGH mit Beschluss vom 27.07.2023 eine Frage zur Auslegung des zugrundeliegenden Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt zur Vorabentscheidung vorgelegt. Darauf hat der EuGH mit Urteil vom 23.01.2025 (Rs. C-518/23, WRP 2025, 304) geantwortet: „Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG ist dahin auszulegen, dass im Fall einer Aufforderung zum Kauf, die mittels einer kommerziellen Kommunikation im Internet erfolgt, die Information über die Art der Preisberechnung nicht notwendigerweise den genauen Prozentsatz eines variablen Bestandteils wie der Ausgleichsmenge enthalten muss, den der Stromversorger für den betreffenden Verbraucher anwendet, so dass dieser, wenn er seinen Stromverbrauch kennt, den Preis selbständig berechnen kann, sofern in dieser Kommunikation die grundsätzliche Anwendbarkeit eines solchen Prozentsatzes zusammen mit einer möglichen Größenordnung und den Faktoren, die sich auf diesen Prozentsatz auswirken, angegeben werden und der Durchschnittsverbraucher dadurch in die Lage versetzt wird, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen.“ Mit dem aktuellen Urteil hält der BGH eine weitergehende Informationspflicht des Energieversorgungsunternehmens hinsichtlich der Ausgleichsmenge nicht für ausgeschlossen und in Folge einen Verstoß gegen § 5a UWG für möglich. Der BGH konnte aufgrund der tatgerichtlichen Feststellungen aber nicht abschließend beurteilen, wie weit die Informationspflicht der Beklagten reichen und ob die Beklagte diese erfüllt hat. Der BGH hat die Sache daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der BGH stellt insoweit fest: Der Umfang der Informationen, die ein Unternehmer bei einer Aufforderung zum Kauf über die Art der Preisberechnung zu erteilen hat, ist anhand aller tatsächlichen Umstände dieser Aufforderung zum Kauf und anhand des Kommunikationsmediums zu beurteilen. Es kommt auch darauf an, ob die in Rede stehenden Informationen - hier der Prozentsatz einer sogenannten Ausgleichsmenge bei Verwendung von Doppeltarifzählern - zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehören oder er sich diese mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann. Innerhalb eines einzigen Verkehrskreises - hier der Mieter und Eigentümer von Wohnimmobilien - scheidet eine gespaltene Verkehrsauffassung für das Verständnis einer Angabe über Art und Weise der Preisberechnung aus.