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Vorausschauender Netzausbau

VKU-Positionspapier: Anforderungen an den vorausschauenden Netzausbau

Laut den durch das BMWK veröffentlichten Langfristszenarien muss ein Großteil der Investitionen in die Stromnetze bereits bis zum Jahr 2035 erfolgen. Die Verteilnetzte stehen dabei unter besonderem Druck, da 95 % der EE-Anlagen sowie praktisch alle Wärmepumpen und Wallboxen dort angeschlossen werden. Der zusätzliche Strombedarf stellt das Stromnetz schon heute vor große Herausforderungen, sodass umfangreiche Investitionen in die Netze notwendig sind, um die Energiewende zu schaffen. So hätte beispielsweise die volkswirtschaftlich wie ökologisch fatale Abregelung der Erneuerbaren Energien vermieden werden können, wenn die Netze bereits in der Vergangenheit vorausschauend ausgebaut worden wären.

Deshalb fordert der Verband kommunaler Unternehmen e. V. in dem Positionspapier „Anforderungen an den vorausschauenden Netzausbau zum Gelingen der Energiewende – Hemmnisse und Lösungsvorschläge“ einen Regulierungsrahmen, der es den Verteilnetzbetreibern (VNB) ermöglicht, vorausschauenden Netzausbau zu betreiben.

Die kommunalen Netzbetreiber sind auf die die richtigen Rahmenbedingungen angewiesen, um einen vorausschauenden Netzausbau betreiben zu können. Die Regulierung ist dann für alle – vom Verbraucher über den Netzbetreiber bis zur Kommune – eine passende Regulierung, wenn sie es effizienten Netzbetreibern ermöglicht ihre betriebsnotwendigen Maßnahmen kostendeckend durchzuführen und das benötigte Kapital angemessen zu verzinsen.

Eine Lösung zur Beschleunigung der Energiewende stellt der vorausschauende Netzausbau dar. Im Folgenden werden sechs Rahmenbedingungen genannt, die aus Sicht des VKUs geändert werden müssen, um vorausschauenden Netzausbau zu betreiben.

1. Vergangenheitsorientierung der Regulierungspraxis

Das aktuell existierende System der Anreizregulierung orientiert sich an der Vergangenheit. Um das Budget der Netzbetreiber für die kommenden Jahre zu bestimmen, werden Kosten vorangegangener Jahre herangezogen. Damit die Stromnetze fit für die Zukunft gemacht werden, bedarf es allerdings eines vorausschauenden Netzausbaus. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Netz maßgeblich von der Substanz lebt und zumindest langfristig „auf Verschleiß gefahren“ wird. Sorgen um die Liquidität aufgrund der Energiekrise verschieben Investitionen in neue Technologien in die Zukunft und erschweren den Netzausbau.

Gleichzeitig richtet die BNetzA ihr Handeln sehr einseitig in Richtung Kostensenkung im Netzbereich aus. Die Netzbetreiber leiden aktuell unter massiv gestiegenen Personalkosten und Kosten für Dienstleister (Bauunternehmen, IT etc.). Diese Kostensteigerungen werden nicht in den Budgets der Netzbetreiber berücksichtigt. Der Regulierungsrahmen setzt den Regulierungsbehörden bei der Genehmigung der Budgets für operative Ausgaben im Rahmen der Kostenprüfungen zwar derzeit Grenzen. So werden zum Beispiel keine in die Zukunft gerichtete Kosten anerkannt. Die Behörden haben bei den zu prüfenden Ist-Kosten und deren Anerkennung für zukünftige Budgets jedoch einen weiten Ermessenspielraum. Auch bei der Installation intelligenter Messsysteme entstehen laut aktuellem Gesetzentwurf GNDEW signifikante Kosten für die Netzbetreiber. Deshalb setzt sich der VKU für eine dringende Klarstellung in der Gesetzgebung ein. Sie sollte die BNetzA ermächtigen, aber auch verpflichten den Verteilnetzbetreibern die Deckung ihrer Zusatzkosten aus dem GNDEW zu gestatten.

2. Regulatorische Kapitalverzinsung

Eine angemessene, international wettbewerbsfähige, nachhaltige und stabile Verzinsung des eingesetzten Kapitals ist eine essenzielle Voraussetzung für den vorausschauenden Netzausbau. Die aktuelle Regulierungspraxis erfüllt dies derzeit nicht. Der Kapitalmarkt wird infolge der Zinswende nicht mehr adäquat in der Regulierung abgebildet, weil letztere sich auch mit Blick auf die Investitionen zu sehr an der Vergangenheit orientiert. Der aktuell für die 3. Regulierungsperiode im Strombereich gültige EK-Zinssatz von 6,91 % liegt bereits jetzt weit unter dem europäischen Durchschnitt. Diese geringe EK-Verzinsung führt zu einem unangemessenen, nicht sachgerechten Kostensenkungsdruck und damit zu einem erheblichen Rückgang der Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber. Für die 4. Regulierungsperiode hat die BNetzA den Zinssatz für Neu-Investitionen um ca. ein Viertel auf 5,07 % abgesenkt. Dabei hat sie in ihrer Festlegung die Möglichkeit einer kurzfristigen nachträglichen Anpassung explizit aufgenommen, falls dies erforderlich sein sollte, um weiterhin eine angemessene Verzinsung sicherzustellen. Nach unserer Auffassung ist diese Situation eingetreten. Die BNetzA muss daher ihre in der Festlegung verankert Klausel nutzen und eine Anpassung der EK-Verzinsung vornehmen!

Zusätzlich dazu hat der VKU hat in dem Positionspapier gefordert, dass der § 10a Abs. 7 ARegV so geändert wird, dass für die Verteilnetzbetreiber die Regelungen für den Fremdkapitalzins im Kapitalkostenaufschlag übernommen werden, die bereits für Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreiber gelten.

3. Effizienzvergleich

Der Ausbau der Netzkapazität und Netzdigitalisierung verursachen Kosten, finden aber keine Berücksichtigung bei den Vergleichsparametern. Vorausschauend geschaffene Netzkapazität wird damit vom bestehenden System als ineffizient eingestuft. Um dies zu verhindern, sollten die Netzbetreiber anfallenden Mehrkosten für die Flexibilisierung des Netzbetriebs zeitnah wieder über die Netzentgelte erlösen könnten und diese weiterhin nicht mit in den Effizienzvergleich einfließen. Weder Netzausbau noch Flexibilisierung des Netzbetriebs im Rahmen des Effizienzvergleichs sollten bevorzugt oder benachteiligt werden.

4. Netzentgeltsystematik und -struktur

Die Refinanzierung der Investitionen und der Netzkosten erfolgt über Netzentgelte. Die aktuelle Netzentgeltsystematik korrespondiert allerdings nicht mit der Struktur der Netzkosten. Die Netzkosten setzen sich fast ausschließlich aus Fixkosten zusammen und hängen somit größtenteils nicht von der durchgeleiteten Energiemenge ab. Entscheidend für die Höhe der Netzkosten ist aktuell die verfügbare Leistungsbereitstellung durch den Netzbetreiber. Der VKU hält es für notwendig und sachgerecht, in Zukunft eine verursachungsgerechtere Beteiligung an der Refinanzierung der Netzkosten durch die Netznutzer möglichst unabhängig von der entnommenen Menge vorzunehmen. Diese grundpreisbasierte Netzentgeltsystematik würde das Netzentgeltaufkommen vergleichmäßigen, Marktprozesse vereinfachen und die Komplexität der Netzentgeltabrechnung wesentlich reduzieren. Zudem wird einer Entsolidarisierung durch zunehmende Eigenerzeugung sowie dem Effekt sinkender Verbrauchsmengen der Kunden entgegengewirkt.

5. Planungs- und Verfahrensbeschleunigung

Damit die Energiewende in der erforderlichen Geschwindigkeit umgesetzt werden kann, wird eine Planungs- und Verfahrensbeschleunigung in allen betroffenen Verwaltungsbereichen benötigt. Neben der Entschlackung des Ordnungsrahmens ist eine organisatorische Beschleunigung der Prozesse sowie eine ausreichende Bereitstellung von Personalkapazitäten zur Prüfung und Genehmigung der einzelnen Baumaßnahmen notwendig. Der VKU fordert den Gesetzgeber auf Art. 6 der EU-NotfallVO anzuwenden und möglichst umfassend von der Umsetzungsoption zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren im Bereich Netze Gebrauch machen. Aktuell wird geprüft, ob insb. im Bereich der 110-kV-Ebene Netzausbauprojekte (neue Trassen) bestehen, deren Umsetzung durch die Anwendung dieses Artikels im deutschen Recht beschleunigt würde.

6. Unsicherheit über die Zukunft der Gasinfrastruktur

Die Grundsatzposition des VKU zur Gasinfrastruktur ist klar: Die Gasnetze werden für die Dekarbonisierung gebraucht. Durch Umwidmungen kann das bestehende Gasnetz fit gemacht werden für die Zukunft. Jedoch gibt es Bereiche, in denen die Gasnetzinfrastruktur nicht in dem Maß gebraucht und somit zurückgebaut bzw. stillgelegt wird. Wie dieser Transformationsprozess gestaltet werden soll, ist im Detail noch zu klären. Als mögliche Instrumente sind u.a. verkürzte Abschreibungszeiten für die Gasinfrastruktur und eine Aufhebung des Effizienzvergleiches im Gas in der Diskussion. Weitere Ansätze zur regulatorischen Gestaltung des Transformationsprozesses sind:

a) Gründung einer Wasserstoffnetzgesellschaft (BMWK): Aus Sicht des VKU ist das Konzept der H2-Netzgesellschaft als sehr problematisch einzuschätzen. Mit einer H2-Netzgesellschaft würde – je nach Ausprägung – die Rolle der GasVNB schwinden und möglicherweise Verteilnetzbetreiber an einer Beteiligung am H2-Hochlauf zu hindern. Eine staatliche Beteiligung würde die Transformation und den Betrieb der Netze eher ineffizient und bürokratisch gestalten.

b) Unterstützung der Infrastrukturbetreiber durch ein Amortisationskonto (dena): Der dena Vorschlag sieht vor, dass die Netzbetreiber bei der Finanzierung der H2-Leitungen in Vorleistungen gehen und der Staat die Amortisation der H2-Leitungen absichert. Aus Sicht des VKU ist der Ansatz grundsätzlich geeignet und könnte den zeitnahen Aufbau von H2-Infrastrukturen begünstigen. Gut ist, dass die Chancen und auch die Risiken nicht bei einem Akteur liegen würden, sondern sowohl bei den Netzbetreibern, als auch bei den Verbrauchern sowie dem Staat.

c) Zwischenbericht von Agora/BET/ Rosin Büdenbender: Aus Sicht des VKU beinhaltet der Zwischenbericht interessante Ansätze, die weitergedacht und näher geprüft werden sollten. Kritisch sieht der VKU die vorgeschlagene Verkürzung der Regulierungsperiode auf 2 Jahre. Die Abschaffung des Effizienzvergleichs Gas im Zuge des anstehenden Transformationsprozesses wäre hingegen ein sinnvolles Mittel zur Regulierung und Finanzierung des Netzbetriebs.

Der VKU wird diese sechs ausgeführten Rahmenbedingungen in die politische Debatte einbringen und sich für einen vorausschauenden Netzausbau und somit für das Erreichen der Energiewende einsetzen.

VKU-Positionspapier "Vorausschauender Netzausbau"