Gasversorgungssicherheit
Im Ernstfall: vage Hinweise zu möglichen Lastreduzierungen

Welche Maßnahmen und Instrumente gibt es, um eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems zu beseitigen?

25.04.22

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Gasversorgungssicherheit

Spoiler-Alert: Wir wissen, dass wir nichts wissen und es gibt keinerlei Sicherheit oder Anleitung!

In der gegenwärtigen Situation versuchen sich Netzbetreiber auf eventuelle Versorgungsengpässe vorzubereiten.

Welche Maßnahmen und Möglichkeiten gibt es?
Um eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems zu beseitigen, stehen folgende Instrumente zur Verfügung:

Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 EnWG
A)   
Netzbezogene Maßnahmen:

  • Nutzung von Netzflexibilitäten als interne Regelenergie (z. B. netzzugehörige Speicher und
    Netzpuffer)
  • Nutzung von Netzschaltungen/Fahrwegänderungen
  • Mengenverlagerungen zwischen NB auch über ausländische Netze nach Können und
    Vermögen

B)   Marktbezogene Maßnahmen:

  • Austausch interner Regelenergie im Marktgebiet
  • Nutzung externer Regelenergie
  • Ein-Verkauf externer Regelenergie in angrenzenden ausländischen Marktgebieten
  • Nutzung lokaler externer Regelenergie
  • Nutzung von Lastflusszusagen
  • Unterbrechung unterbrechbarer Ein- und Ausspeiseverträge an Grenzübergangspunkten und
    Anschlusspunkten zu Speichern
  • Unterbrechung vertraglich unterbrechbarer Letztverbraucher bzw. Netzanschlusspunkte mit
  • Ausnahme angewiesener systemrelevanter Gaskraftwerke
  • Nutzung marktbasierter Instrumente gem. Festlegung BK7-19-037
  • Nutzung des Kapazitätsrückkaufs gem. Festlegung BK7-19-037
  • Unterbrechung unterbrechbarer interner Bestellleistungen
     

Maßnahmen nach § 16 Abs. 2 EnWG

  • Kürzung fester interner Bestellleistungen oder Vorhalteleistungen
  • Anweisung zur Gasein- oder -ausspeisung an AP zu Speichern oder Produktionsanlagen
  • Kürzung fester Ein- und Ausspeisungen an GÜP
  • Anweisung zur Erhöhung der Ein- und Ausspeisungen an GÜP
  • Kürzung von Letztverbrauchern, die nicht gemäß § 53a EnWG „geschützt" sind
  • Kürzung von angewiesenen systemrelevanten Gaskraftwerken
  • Kürzung von Letztverbrauchern, die gemäß § 53a EnWG „geschützt" sind
     

Wichtige Hinweise zu den Maßnahmen

Zu beachten ist, dass Maßnahmen nach § 16 Abs. 2 EnWG nur ergriffen werden dürfen, wenn sich eine Gefährdung oder Störung durch Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 EnWG nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen lässt. Die §§ 16 Abs. 1 bis 4 EnWG gelten gemäß § 16a EnWG für Betreiber von Gasverteilernetzen im Rahmen ihrer Verteilungsaufgaben entsprechend, soweit sie für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Gasversorgung in ihrem Netz verantwortlich sind. 

Die oben aufgeführten Maßnahmen gemäß § 16 Abs. 1 EnWG stehen in keiner festgelegten Reihenfolge. Die Auflistung lässt keinen Rückschluss auf eine Priorisierung zu. Eine ex­ante Festlegung der Reihenfolge ist vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit denkbarer Engpassszenarien nicht sachgerecht. Die Reihenfolge ist vielmehr im Rahmen der rechtlichen Vorgaben für den konkreten Einsatzfall durch den jeweiligen Netzbetreiber festzulegen. Nach Erschöpfung der Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 EnWG ist aber zu beachten, dass nicht-geschützte Letztverbraucher vor angewiesenen systemrelevanten Gaskraftwerken und diese wiederum vor geschützten Kunden gemäß § 53a EnWG Adressaten von Maßnahmen nach § 16 Abs. 2 EnWG sein dürfen. Demnach sind Kürzungen/Abschaltungen von angewiesenen systemrelevanten Gaskraftwerken nachrangig zu Kürzungen/Abschaltungen sonstiger nicht-geschützter Letztverbraucher vorzunehmen. Absolut nachrangig sind Kürzungen/Abschaltungen von geschützten Kunden gemäß § 53a EnWG. Erst wenn sonstige mögliche Maßnahmen nach § 16 Abs. 2 EnWG ausgeschöpft sind, dürfen Kürzungen/Abschaltungen geschützter Kunden erfolgen.

Welche groben Orientierungshilfen können sich Netzbetreiber nehmen? Jegliche Entscheidungen müssen Netzbetreiber individuell abwägen und treffen!

  • Zugehörigkeit zu den vom Engpass betroffenen Ausspeisezonen und sonstige physikalische Gegebenheiten
  • Kapazität:
    1. Aktuelle Tageshöchstlast,
    2. Potentielle Höchstlast,
    3. Alternativ: Last zum Zeitpunkt der Jahreshöchstlast (Gesamtnetz)
  • Wirksamkeit von Abschaltungen:
               ​​a) Leistung,
               b) Reaktionszeit
  • Folgen von Abschaltungen:    
               -  Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt
               -  Minimierung wirtschaftlicher Schäden
  • Möglichkeit des Brennstoffwechsels
  • Kunden, die soziale Dienstleistungen von grundlegender Bedeutung erbringen, sowie Dienste, die für das Funktionieren eines Mitgliedstaats unverzichtbar sind, bzw. deren Abschaltung massive Auswirkungen auf das öffentliche Leben mit sich bringen.
     

Bei der Ermittlung der Reihenfolge ist insbesondere darauf zu achten, dass Kürzungen oder Abschaltungen wirksam und umsetzbar sind. Darüber hinaus ist jegliche Abschaltung so verhältnismäßig wie möglich durchzuführen.

Immer gültige und Krisen-unabhängige Tipps und Empfehlungen für Verteilnetzbetreiber sind unter anderem:

  • Regeln für die Kommunikation und das Vorgehen im Unternehmen erarbeiten und etablieren
  • Prozesse für die Zusammenarbeit mit den Marktpartnern festlegen, kommunizieren und testen
  • Abschaltprozess für den Engpassfall entwickeln und testen
  • „lokalen Krisenstab“ zusammen mit Stadt, Landkreis, THW, Feuerwehr etc. etablieren
  • unterbrechbare Kapazitäten absichern (z.B. mit Abschaltvereinbarungen)