Weiterentwicklung Redispatch 2.0
Eine flächendeckende Umsetzung des aktuellen Zielmodells ist langfristig nicht realistisch

Die Bundesnetzagentur initiierte ein Feststellungsverfahren und beauftragte Consentec, die Herausforderungen in den Pilotprojekten des Redispatch 2.0 zu analysieren und Änderungsvorschläge zu erarbeiten. Im Gutachten werden Anpassungen des Rechtsrahmens und die schrittweise Einführung eines planbaren bilanziellen Ausgleichs vorgeschlagen.

19.04.24

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Consentec hat in seinem Gutachten zum Redispatch (RD) 2.0 deutliche Probleme aufgezeigt und kommt zum Ergebnis, dass eine flächendeckende Umsetzung des ursprünglichen RD-2.0-Zielmodells auf mehrere Jahre hinaus nicht realistisch sei. 

Die Pilotprojekte waren gescheitert, weil zu große Abweichungen zwischen der prognostizierten und tatsächlichen Ausfallarbeit auftraten. Ursächlich dafür war ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren: die technische Umsetzung („eklatante Schwächen beim Einsatz von Rundsteuertechnik“), die unzureichende Kommunikation untereinander und das Bilanzierungsmodell (Kritik an der Pauschalabrechnung). Weitere Problemfelder umfassen die hohe Komplexität der Regularien, fehlende Tests zur Identifizierung von Schwachstellen, geringe Vorlaufzeiten für Prognosen, begrenztes Hochfahrpotenzial bei der Abregelung von EE-Anlagen und fehlende Anreize für effiziente Prozesse.

Eine weitere Verlängerung des befristeten BDEW-Übergangsmodells wurde als ungeeignet erachtet. Es bedarf einer rechtssicheren und praktikablen Neugestaltung. Im Februar 2023 legte der BDEW einen Vorschlag zur Weiterentwicklung des RD 2.0 vor mit dem Ziel, die Prozesse weniger komplex und praktikabler zu gestalten. Darin sollen alle Anlagen des RD 2.0 in Verteilnetzen einem angepassten Prognosemodell zugeordnet und schrittweise in ein Planwertmodell überführt werden. Direkt ins Übertragungsnetz angeschlossene Anlagen bleiben im Planwertmodell. Das angepasste Prognosemodell delegiert die Verantwortung für den bilanziellen Ausgleich (Ausgleichsenergierisiko) zurück an den Bilanzkreisverantwortlichen (BKV). Die finanzielle Verantwortung bleibt beim Netzbetreiber. Aussagen zur Ermittlung oder angemessenen Höhe des finanziellen Ausgleichs sind im BDEW-Papier nicht enthalten. Insofern gleicht der neue Vorschlag der Übergangslösung. Es fehlt aber an der rechtlichen Absicherung im EnWG.

Die Gutachter sehen den kollektiven Wechsel ins Prognosemodell und schrittweisen Rückgang ins Planwertmodell kritisch – auch die Rückdelegation des bilanziellen Ausgleichs, die aber als alternativlos gesehen wird. Ausgleichsenergierisiken, die der BKV nicht zu verantworten hat, dürfen nicht diesem anhaften. Zusätzlich wird eine angemessene finanzielle Kompensation und verlässliche Vorabinformationen über bevorstehende Redispatch-Maßnahmen für einen treffsicheren bilanziellen Ausgleich gefordert.

Die Gutachter schlagen vor, ein Übergangsmodell zur Anpassung des kurz- bis mittelfristigen Konzepts sowie ein Zielmodell zur langfristigen Verbesserung der Planbarkeit des bilanziellen Ausgleichs einzuführen.

Das Übergangsmodell sieht vor, die aktuellen Prozesse für RD-Maßnahmen mit Anlagen im Übertragungsnetz beizubehalten, während die vollständige Umsetzung von RD-2.0-Prozessen für Anlagen im Verteilernetz vorerst ausgesetzt wird. Das Planwertmodell wird für Anlagen auf der Höchstspannungsebene vorgeschlagen, um die Verantwortung für den bilanziellen Ausgleich bei den Übertragungsnetzbetreibern zu sichern und Systembilanzrisiken zu vermeiden. Das Planwertmodell soll auch für geeignete Anlagen auf Verteilernetzebene in Betracht gezogen werden – jedoch nicht für alle volatilen EE-Anlagen. Die Nutzung des Prognosemodells wird für alle anderen Anlagen entsprechend den RD-2.0-Prozessen empfohlen, wobei der bilanzielle Ausgleich vorerst auf die BKV übertragen werden soll, bis die prozessualen Schwierigkeiten gelöst sind. Netzbetreiber sollen zudem die BKV angemessen entschädigen. Dabei sollten wirtschaftliche Anreize für Effizienz beim BKV geschaffen, aber auch fehlende Vorabinformationen des Netzbetreibers für RD-Maßnahmen in der Kalkulation (Risiko für den BKV) berücksichtigt werden.

Das Zielmodell strebt eine bessere Planbarkeit des bilanziellen Ausgleichs an. Es wird vorgeschlagen, das Übergangsmodell mit einem Aktionsplan zur Überwindung bestehender Hindernisse und Einführung eines geplanten bilanziellen Ausgleichs zu verknüpfen.

Ganz klar ist der Zielpfad aber auch nicht. Eine Möglichkeit sieht den BKV in der dauerhaften Verantwortung für den bilanziellen Ausgleich. Dieser soll aber regelmäßig und rechtzeitig über RD-Maßnahmen durch den VNB informiert werden. Alternativ soll der Netzbetreiber nach Klärung der RD 2.0 Probleme die Verantwortung für den bilanziellen Ausgleich übernehmen. Gleichzeitig wird die schrittweise Einführung eines planwertbasierten bilanziellen Ausgleichs mit umfassenden Tests vorgeschlagen, um die Systemrobustheit und Zuverlässigkeit zu gewährleisten.

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