ARSINOE ermöglicht grenzüberschreitende Kooperation zu Bewässerung

31.07.25

Die VKU-Landesgruppe Bayern und die Ludwig-Maximilians-Universität München arbeiten mit Expert:innen aus Norditalien an der Frage, wie sich der landwirtschaftliche Wasserbedarf in Franken in den nächsten Jahren entwickeln könnte und tauschen Erfahrungen mit Bewässerung angesichts klimawandelbedingter Veränderungen im Wasserhaushalt aus. Die Kooperation findet im Rahmen des EU-Projekts ARSINOE statt.


Die bayerische Main-Region ist stark vom Klimawandel betroffen. Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Umwelt ist sie die wärmste und trockenste Region im Freistaat. Zwischen 1951 und 2019 stieg die Jahresmitteltemperatur in der Region um ganze 1,8 °C. In den Sommermonaten nahmen die durchschnittlichen Temperaturen um über 2 °C zu. Es gab mehr Sommertage mit Temperaturen über 25 °C und mehr Hitzetage mit über 30 °C. Ohne effektiven Klimaschutz erwartet das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) bis Ende des 21. Jahrhunderts einen weiteren Temperaturanstieg und eine deutliche Verringerung der Sommerniederschläge. Wenn in den Sommermonaten die Temperaturen steigen, nimmt die Verdunstung zu. Bei gleichbleibenden oder geringeren Niederschlagsmengen bedeutet das nicht nur heißere, sondern auch trockenere Sommer. In den letzten Jahren haben darum die Rufe nach Bewässerung in der stark von Landwirtschaft, Gartenbau und Weinbau geprägten Region zugenommen. Indes ist unklar, wie viel Wasser derzeit für Bewässerung verwendet wird, aus welchen Quellen es stammt und wie sich Konflikte zwischen landwirtschaftlicher und anderer Wassernutzung vermeiden lassen, falls in den nächsten Jahren mehr bewässert werden sollte.


Im Rahmen des Projekts EU-ARSINOE arbeiten die VKU-Landesgruppe und die Ludwig-Maximilians-Universität München seit 2024 mit ANBI Emilia Romagna und Canale Emiliano Romagnolo an der Frage, wie sich der landwirtschaftliche Wasserbedarf in den nächsten Jahren entwickeln könnte. Die Kooperationspartner aus Norditalien sind Experten für die großflächige landwirtschaftliche Bewässerung. Sie betreiben die Bewässerungskanäle, mit denen Wasser aus dem Po in der gesamten Emilia Romagna verteilt wird. Sie haben ein tiefgreifendes Verständnis dessen, was es bedeutet, eine ganze stark landwirtschaftlich geprägte Region intensiv zu bewässern. Gleichzeitig forschen sie daran, wie die landwirtschaftliche Produktion angesichts veränderter Wasserverfügbarkeit weiter optimiert werden kann. Die Kooperation ist aus dem ARSINOE-Innovationswettbewerb entstanden. 2022 und 2023 hatten die VKU-Landesgruppe und die Ludwig-Maximilians-Universität München in einer Reihe von Workshops mit Stakeholdern aus Franken Strategien zur Steigerung der Klimaresilienz erarbeitet und diskutiert, welche Innovationen für ihre Realisierung notwendig sind. Weil bessere Informationen zu Klimaauswirkungen auf den Wasserhaushalt und Werkzeuge für ein effizienteres und nachhaltiges Wassermanagement häufig genannt wurden, suchten VKU und LMU schließlich in einem Innovationswettbewerb nach ebensolchen Lösungen. ANBI Emilia Romagna überzeugte mit seinem Vorschlag, Modelle für die Wasserbedarfsschätzung, die in Italien entwickelt worden waren, auf die bayerische Mainregion zu übertragen. Gleichzeitig sollten Erfahrungen mit Bewässerung angesichts ungewisser Klimaveränderungen ausgetauscht werden.


Mitte Mai stehen die deutschen Projektpartner am Ufer des Fluss Po. Das hier entnommene Wasser wird in einen großen Bewässerungskanal geleitet, der sich quer durch die Emilia Romagna erstreckt. In regelmäßigen Abständen zweigen kleinere Kanäle von ihm ab, die sich feiner und feiner verästeln. So wird das Wasser für die Bewässerung von circa 3000 km2 landwirtschaftlicher Nutzfläche bereitgestellt. Die Infrastrukturen sind kaum aus der Region wegzudenken. Sie prägen die Landschaft und ihre Bewirtschaftung. Ähnlich wie in Bayern macht man auch in Italien immer öfter Erfahrungen mit Dürre. 2023 führte der Po weniger Wasser als je zuvor. Um ein Haar mussten Wasserentnahmen aus dem Fluss eingestellt werden. Die Konsequenzen für die Menschen vor Ort, die Lebensmittelpreise und die Wirtschaftsleistung vor Ort wären kaum auszudenken gewesen, so die Betreiber der Bewässerungssysteme. Auch deshalb würden sie intensiv zu effizienter Wassernutzung und Abwasseraufbereitung für Bewässerung forschen. In der Zwischenzeit würden sie jedoch neue Pumpen am Ufer des Po einsetzen. Sie sollen tiefer liegen als die alten Anlagen, sodass sie auch bei extremem Niedrigwasser noch betrieben werden können. Klimaanpassung ist hier vor allem die Anpassung der Bewässerungsinfrastruktur und die Erschließung zusätzlicher Wasservorkommen. Die Bewässerung und ihre über Jahrzehnte entstandenen Infrastrukturen scheinen alternativlos. Auf alternative Lösungen, wie den Ressourcenschutz oder den Wasserrückhalt in der Fläche scheint man bislang kaum gesetzt zu haben.
Wie viel Wasser aus dem Fluss entnommen werden darf, ist fest mit den zuständigen staatlichen Stellen vereinbart. Wie das Wasser später auf die Abnehmer:innen verteilt wird, regeln diese in eigens dafür gegründeten Verbänden. Diese entscheiden dann selbstständig, welche Kulturen angebaut und bewässert werden. Nach Aussage der Expert:innen vor Ort sind weder die Auswirkungen der Wasserentnahmen auf die Ökologie noch Rückwirkungen auf andere Wassernutzungen kontrovers. Von Nutzungskonflikten mit anderen Wasserverbrauchern berichtet niemand. Welche Wassermengen aus dem Fluss entnommen werden dürften, würden staatliche Stellen gemeinsam mit den Bewässerungskonsortien aushandeln. Dabei würden auch andere Wassernutzungen und Rückwirkungen auf die öffentliche Wasserversorgung berücksichtigt. Diese hätte immer Vorrang vor anderen Nutzungen.


Als ARSINOE Ende Juli die Bewässerungsexperten, Wasserversorger sowie Vertreter aus Umweltschutz, Landwirtschaft und Verwaltung zu einem Erfahrungsaustausch nach Würzburg einlädt, werden etliche Unterschiede zwischen den Regionen deutlich: Zwar existieren in Bayern ebenfalls Akteure, die sich für die Erleichterung und Förderung der großflächigen Bewässerung einsetzen, aber es gibt weder umfangreiche Infrastrukturen für den Zweck noch Entscheidungsgremien und -prozesse, in denen verschiedene Nutzergruppen aushandeln könnten, welche Wassermengen ohne negative Rückwirkungen auf Wasserversorgung und Umwelt entnommen werden können. Die Überwachung von Wasserentnahmen für die Bewässerung ist lückenhaft. Auch weil noch nicht intensiv in teure Bewässerung investiert wurde, stehen noch andere Anpassungsstrategien im Raum. Der Schutz von Böden und Landschaftswasserhaushalt könnte dafür sorgen, dass mehr Wasser vor Ort zurückgehalten wird. Sogenannte Schwammlandschaften würden vor Dürren und Hochwasser gleichermaßen schützen und zur Grundwasserneubildung beitragen. Davon profitieren die öffentliche Wasserversorgung, von Starkregen bedrohte Kommunen, Land- und Forstwirtschaft sowie die Umwelt. Wo wegen konsequenten vorsorgenden Ressourcenschutzes mehr und qualitativ hochwertiges Wasser existiert, kommt es seltener zu Verteilungs- und Nutzungskonflikten zwischen verschiedenen Nutzergruppen. Der Austausch macht deutlich, dass Bewässerung nicht ausreicht, um mit Dürre und Trockenheit umzugehen und dass die fortlaufende Anpassung von Bewässerungssystemen an den Klimawandel mit eigenen Herausforderungen verbunden ist. Außerdem unterstreichen die Berichte aus Italien, dass die Akzeptanz der Bewässerung auch davon abhängt, dass andere Wassernutzer in Entscheidungen über Wasserentnahmen einbezogen werden und dass Wasserentnahmen konsequent überwacht werden müssen.

Die Ergebnisse der vom italienischen Forscherteam erstellten Untersuchung werden in den nächsten Wochen zusammengefasst und den ARSINOE Projektpartnern vorgelegt. Schon jetzt steht jedoch fest, wenn man die Bewässerung in Franken mit Blick auf landwirtschaftliche Erträge optimiert, wird der Wasserbedarf steigen. Gleichzeitig ist die Zunahme schwer präzise zu quanitfizieren. Der Wasserbedarf unterscheidet sich in nassen und trockenen und heißen Jahren stark, außerdem haben die angebauten Kulturen großen Einfluss auf den Wasserbedarf. Die Debatte über die Wassernutzung in der Region muss daher nicht nur die technische Machbarkeit berücksichtigen, sondern auch die Bewässerungswürdigkeit verschiedener Kulturen, Wasserverfügbarkeit und Wasserrechte sowie  Instrumente für den Umgang mit Wasserknappheit und Nutzungskonflikten einschließen. 

Die VKU Landesgruppe Bayern ist Teil des unter Horizon 2020 geförderten Projekts ARSINOE (Grant Agreement: 101037424). Das Projekt ist eines von 90 Projekten für die Umsetzung des European Green Deal und wird mit über 15 Millionen Euro von der Europäischen Union gefördert. Im Rahmen des Projekts untersuchen 41 Projektpartner aus ganz Europa vier Jahre lang, wie die Anpassung an den Klimawandel in verschiedenen europäischen Regionen gelingen kann. Dabei liegt der Fokus auf Systemlösungen und innovativen Ansätzen, die aus den Modellregionen in andere Regionen übertragen und dort nutzbar gemacht werden können. So trägt das Projekt zur Umsetzung des European Green Deal bei und steigert die Resilienz im Klimawandel.

 

Eindrücke vom Austausch in Italien und Bayern