Dezentrale Energiewende ausgebremst
Kundenanlagen unter Druck – VKU fordert schnelle Lösung

Zwei aktuelle Gerichtsurteile beeinflussen die rechtliche Einstufung von Kundenanlagen erheblich – mit potenziell weitreichenden Folgen für Mieterstrom, Quartierslösungen und industrielle Eigenversorgung, sofern keine Lösung gefunden wird. Der VKU warnt vor einem Rückschritt für die dezentrale Energiewende und fordert gemeinsam mit 26 Verbänden eine zügige, europarechtskonforme Lösung.

08.09.25

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Gerichtshammer/Zerbor/Stock.adobe.com

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte am 28. November 2024 die deutsche Regelung zur Kundenanlage für europarechtswidrig. In der Folge entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 13. Mai 2025, dass bestimmte Infrastrukturen nicht mehr als Kundenanlagen gelten und somit den Pflichten regulierter Verteilnetzbetreiber unterliegen. Die Urteile entziehen damit den sog. „Kundenanlagen“ (§ 3 Nr. 24a EnWG), d.h. der technischen Infrastruktur hinter dem Strom- oder Gasnetzanschluss, die bisherige rechtliche Grundlage.

Kommunale Unternehmen und zahlreiche weitere Akteure setzen seit Jahren auf umweltfreundliche Eigenversorgungsmodelle in Kundenanlagen, um die Energiewende vor Ort in Wohnquartieren, Gewerbeimmobilien oder Industriegebieten voranzutreiben. Diese dezentralen und unmittelbar die Letztverbraucher vor Ort versorgenden Modelle haben bislang davon profitiert, dass sie die erzeugten Strommengen nicht erst in ein Verteilernetz einspeisen müssen, sondern unmittelbar an die Letztverbraucher liefern können. Hierfür fallen daher keine Netzentgelte an, da unmittelbar die Stromleitungen der Kundenanlage für die Belieferung der Letztverbraucher verwendet werden. Doch genau diese Versorgungskonstellationen stehen nun zur Disposition. Besonders betroffen sind Mieterstrom- und Quartiersprojekte, Blockheizkraftwerke (BHKW) und Infrastrukturen in Industrieparks, oder öffentlichen Einrichtungen.

Die am 3. Juli 2025 veröffentlichte Beschlussbegründung des BGH enthält lediglich rudimentäre Hinweise zur richtlinienkonformen Auslegung des EnWG. Die mit der EuGH-Entscheidung seit Ende November 2024 einhergehende erhebliche Rechtsunsicherheit in der Branche besteht daher auch nach der BGH-Entscheidung fort. Berichte über abgelehnte Anschlussbegehren als Kundenanlage bei neuen Projekten nehmen spürbar zu. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Forderung nach einer Klarstellung der Bundesnetzagentur (BNetzA) für die Übergangszeit an Dringlichkeit, um die Lage zu beruhigen und eine europarechtskonforme Lösung zu erarbeiten, die langfristig Bestand hat.

Der VKU bewertet die Gerichtsentscheidungen als ernsthafte Bremse für die dezentrale Energiewende. Denn: Gerade jene Maßnahmen, die für den Übergang zu einer dezentralen Energieversorgung und damit für das Gelingen der Energiewende von zentraler Bedeutung sind, werden blockiert. Die mögliche Einstufung bisheriger Kundenanlagen als regulierte Verteilnetze hätte gravierende Folgen für deren Wirtschaftlichkeit: zusätzliche Berichtspflichten, Entgeltpflichten, erhöhter Personalbedarf und aufwendige Messtechnik. Auch ist nicht auszuschließen, dass bestimmte Mieterstrommodelle hiervon betroffen sein könnten.

Der VKU steht bereits im regen fachlichen Austausch mit dem zuständigen Referat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Geplant ist eine Gesetzesänderung, um das EuGH-Urteil umzusetzen. Wie genau eine solche Gesetzesänderung aussehen soll und inwiefern noch Spielraum für Quartiersprojekte und andere Eigenversorgungskonstellationen verbleiben wird, ist derzeit noch unklar. Um das Thema stärker auf die politische Agenda zu bringen, hat sich der VKU zudem gemeinsam mit 26 weiteren Verbänden und Organisationen einem Verbändeappell angeschlossen. Ziel ist es, eine gesetzliche Lösung auf EU- und Bundesebene zu finden, um wirtschaftlichen Schaden für Unternehmen und die Energiewende insgesamt abzuwenden.

Der VKU fordert gemeinsam mit den unterzeichnenden Verbänden:

  • Rasch einen Runden Tisch der Bundesregierung zur Kundenanlage einzurichten, um eine europarechtskonforme Lösung zu erarbeiten.
  • Eine Klarstellung der Bundesnetzagentur für die Übergangszeit, dass Neuanschlüssen von Kundenanlagen nichts entgegensteht, solange sie den geltenden EnWG-Regeln entsprechen.
  • Eine rechtliche Absicherung der etablierten Praxis, die die freie Lieferantenwahl innerhalb von Kundenanlagen erhält, aber unnötige Regulierung und Bürokratie vermeidet.