Berlin/Brüssel. Heute hat das EU-Parlament den Gigabit Infrastructure Act (GIA) verabschiedet. Mit der Verordnung soll der Breitbandausbau europaweit beschleunigt werden. Im Fokus steht das Recht auf Mitnutzung, das Telekommunikationsanbietern erlaubt, auf bestehender Glasfasernetze zurückzugreifen. Trotz Verbesserungen bleiben Hindernisse für den schnellen Ausbau bestehen, kritisiert der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der rund 250 kommunale Unternehmen im Breitbandausbau vertritt. Dazu zählen vor allem Schlupflöcher beim strategischen Überbau, der den Ausbau in Gänze hemmt.
Ingbert Liebing, VKU-Hauptgeschäftsführer:
„Schnelles Internet ist für unsere Städte und Regionen so wichtig wie Strom und Wasser. Deswegen ist es richtig, dass die EU den Ausbau von Breitbandnetzen beschleunigen will.
Positiv ist, dass Netzbetreiber die Erlaubnis bekommen, einen Überbau ihres Netzes durch Wettbewerber zu verhindern, indem sie ihnen via Bitstromzugang oder Zugang zu unbeschalteten Glasfasern* Zugang zu ihrem Netz anbieten (Open Access).
Allenfalls in Ballungsräumen können sich für die Betreiber mehrere Glasfasernetze nebeneinander lohnen. Dabei ist es im Grunde unerheblich, ob diese Netze nebeneinander gebaut werden oder ein zweites oder drittes Glasfaserkabel über Leerrohre eines bereits vorhandenen Netzes verlegt wird. In jedem Fall verlieren alle Anbieter durch diesen Mehrfachausbau an Profitabilität, und es bliebe weniger Kapital für den Ausbau weniger attraktiver Gebiete, insbesondere im ländlichen Raum. Was mit dem Mitnutzungsanspruch gut gemeint ist, würde bei näherem Hinsehen den flächendeckenden Glasfaserausbau in Deutschland konterkarieren.
Schlupflöcher für Überbau bleiben
Kritisch bleibt hingegen, dass Schutz vor Überbau nur möglich ist, wenn der Open Access Zugang durch den gleichen Anbieter angeboten wird. Das berücksichtigt die Besonderheiten von Stadtwerken nicht: Bei Stadtwerken teilen sich häufig Tochter- oder Schwestergesellschaften den Ausbau und Betrieb von Glasfasernetzen. In der Praxis könnte ein Tochterunternehmen also nicht auf ein anderes Tochterunternehmen verweisen - wenn das eine ausbaut und das andere den Betrieb der passiven Infrastruktur übernimmt, obwohl beide zum gleichen Stadtwerk gehören. Deshalb sollte es möglich sein, auf Open-Access-Angebote anderer Telekommunikationsunternehmen sowie sinnvollerweise auch auf geplante und im Bau befindliche Netze zu verweisen anstelle von nur Netzen desselben Netzbetreibers.
Darüber hinaus fehlt noch immer eine rechtliche Definition ‘öffentlicher Mittel’ im Kontext der Baustellenkoordination - also beim Rechtsanspruch auf Netzausbau eines Unternehmens in der Baugrube eines mit öffentlichen Mitteln erstausbauenden Versorgungsnetzbetreibers. Hier hätten wir uns eine Klarstellung gewünscht, dass damit staatliche Förder- beziehungsweise Haushaltsmittel gemeint sind, nicht aber der Ausbau durch kommunale Unternehmen generell.“
*Technische Hintergründe zu Zugang zu Bitstrom und unbeschalteten Glasfasern:
Hierbei handelt es sich um verschiedene Vorleistungsprodukte für Anbieter von Endkundenprodukten, z.B. Prepaid-Internet etc. Die Rolle des kommunalen Unternehmens unterscheidet sich dabei.
Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.550 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit über 300.000 Beschäftigten wurden 2021 Umsatzerlöse von 141 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 17 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 66 Prozent, Gas 60 Prozent, Wärme 88 Prozent, Trinkwasser 89 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Die kommunale Abfallwirtschaft entsorgt jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und hat seit 1990 rund 78 Prozent ihrer CO2-Emissionen eingespart – damit ist sie der Hidden Champion des Klimaschutzes. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 206 Unternehmen investieren pro Jahr über 822 Millionen Euro. Künftig wollen 80 Prozent der kommunalen Unternehmen den Mobilfunkunternehmen Anschlüsse für Antennen an ihr Glasfasernetz anbieten. Zahlen Daten Fakten 2023
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