Drastische Energiepreisausschläge verlangen Signal an die Märkte: durch Steuersenkungen und Abschirmung der Energieunternehmen Vertrauen schaffen. 09.03.22

Berlin, 09. März 2022. Zur aktuellen Energiepreisentwicklung erklärt der Hauptgeschäftsführer des VKU Ingbert Liebing:

„Nachdem wir bereits seit vergangenem Herbst eine weltweite Energiepreissteigerung in bisher ungekannten Größen erleben, verschärfen der russische Überfall auf die Ukraine und die daraufhin notwendigen Sanktionen die Lage noch einmal extrem. Mit Sprüngen von 80% innerhalb weniger Tage und der Vervielfachung des Gaspreises binnen Jahresfrist kalkulieren die Märkte die Gefahr eines Embargos gegen fossile Energieträger ein. Trotzdem kann ein tatsächlicher Liefer- oder Importstopp zu noch drastischeren Reaktionen führen, mit schwerwiegenden Folgen auch für die gesamte Wirtschaft.

Die bislang von der Bundesregierung ergriffenen Entlastungsmaßnahmen weisen in die richtige Richtung. Sie reichen aber bei weitem nicht aus, um Ausmaß und Folgen dieser Entwicklung bei den anstehenden Jahres- und Abschlagsrechnungen merklich zu dämpfen. Für durchschnittliche Haushalte können die Mehrbelastungen im Energiebereich mehrere tausend Euro betragen. Dies wird für die Menschen nicht mehr zu verkraften sein. Um soziale Friktionen zu vermeiden, muss Politik daher schnell und effektiv tätig werden.

Die besonders betroffenen Haushalte und Unternehmen brauchen schnell direkte und spürbare Hilfen. Dabei sollten Markteingriffe wie Preisdeckel vermieden werden, denn bei einem knappen Markt können regulierte Preise an der Mangellage nichts ändern.

Notwendig sind daher jetzt großvolumige Maßnahmen, die Vertrauen schaffen, bevor die Lage weiter eskaliert. Ganz direkt ausgedrückt: Wir sprechen hier nicht mehr über Peanuts. Hierzu zählen folgende fünf Punkte:

  1. Die Strom- und die Mehrwertsteuer auf Energie sind so weit wie möglich zu senken. Da nicht mit einer kurzfristigen Entspannung zu rechnen ist, sollten diese Entlastungen zeitlich unbefristet gelten.
  2. Zusätzlich zu Heizkostenzuschüssen müssen für einkommensschwache Haushalte die Energiekostenanteile in den Regelsätzen der Grundsicherung überprüft und das Wohngeld anhand von Warmmieten dynamisiert werden.
  3. Die zugespitzte Energiepreisentwicklung macht eine gesonderte Unterstützung für breitere Bevölkerungsschichten notwendig. Dies gilt in jedem Fall auch für Gewerbe und Industrie, vor allem bei klein- und mittelständischen Unternehmen sowie energieintensiven Betrieben.
  4. Da neben großen Versorgern und Energiehändlern auch Stadtwerke systemrelevant sind, müssen sie gemeinsam gegen Schieflagen aufgrund kurzfristiger Preisausschläge geschützt werden. Dabei geht es vor allem um Liquiditätsabsicherungen, damit unter widrigen Umständen erhöhte Preise für Rohstoffmengen bezahlt, Ausfallverpflichtungen übernommen und Terminhandelsgeschäfte mit Sicherheiten belegt werden können. Notwendig sind dafür zunächst Liquiditäts- und Überbrückungsdarlehen von KfW und Landesförderbanken und ein klares öffentliches Bekenntnis dazu – whatever it takes. Nur so können die Stadtwerke gerade angesichts der Risiken für die Versorgungssicherheit ihre Leistungen für die Daseinsvorsorge erbringen.
  5. Die Finanzmittel können aus den staatlichen Steuermehreinnahmen in Folge der Preissteigerungen bestritten werden. Sie müssen darüber hinaus aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden und nicht aus dem Klima- und Transformationsfonds. Dessen Mittel sind für dringende Investitionen in ein von fossilen Energieträgern unabhängiges Energiesystems vorzusehen – etwa durch die Förderung des Fernwärmeausbaus, von KWK oder den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Diese Maßnahmen bekommen angesichts der aktuellen Entwicklung eine noch größere Bedeutung und dürfen nicht zurück gestellt werden. Sie sind ein Beitrag zur Energiesouveränität Deutschlands.“

 

Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 283.000 Beschäftigten wurden 2019 Umsatzerlöse von 123 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 13 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Gas 67 Prozent, Trinkwasser 91 Prozent, Wärme 79 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 203 Unternehmen investieren pro Jahr über 700 Millionen Euro. Beim Breitbandausbau setzen 92 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude. Wir halten Deutschland am Laufen – klimaneutral, leistungsstark, lebenswert. Unser Beitrag für heute und morgen: #Daseinsvorsorge. Unsere Positionen: 2030plus.vku.de.