Tag der erneuerbaren Energien: Keine Zeit mehr bei Energiewende und Klimaschutz verlieren 23.04.21

Berlin, 24.04.2021. Bis zur letzten regulären Bundestagssitzung am 25. Juni 2021 bleiben noch knapp zwei Monate. Anlässlich zum Tag der erneuerbaren Energien (24. April) appelliert der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) daher an die beiden Regierungsfraktionen, beim Klimaschutz nicht nachzulassen. „Nur so können wir die in dieser Legislaturperiode bestehenden Hemmnisse für den Ausbau der erneuerbaren Energien beseitigen und die Ausbaupfade für erneuerbare Energien erhöhen“, sagt VKU-Geschäftsführer Ingbert Liebing.

Und weiter: „Im Dezember 2020 hat der Bundestag mit seiner Entschließung zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) der Bundesregierung einen klaren und eindeutigen Arbeitsauftrag erteilt, die Ausbaupfade für erneuerbare Energien im ersten Quartal neu zu definieren. Dass sich die Koalitionspartner am 22. April 2021 auf erste Schritte verständigt haben, ist gut. Allerdings brauchen wir eine Erhöhung der Ausschreibungsmengen nicht nur für das kommende Jahr, sondern für das gesamte Jahrzehnt. Die Anhebung des EU-Klimaziels erfordert vom einstigen Musterschüler Deutschland erhebliche Nachbesserungen seiner Erneuerbare-Energien-Gesetzgebung. Hinzu kommt: Die Umstellung vieler Wirtschafts- und Lebensbereiche auf strombasierte Technologien bringt nur dann die erhofften Treibhausgaseinsparungen, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen kommt. Dieser Zusammenhang ist in der Ausbaustrategie immer noch nicht berücksichtigt. Wenn der Bundestag in den verbleibenden zwei Monaten nicht noch einmal nachsteuert, wird 2021 ein für Energiewende und Klimaschutz verlorenes Jahr. Das können wir uns nicht leisten, wenn wir das Klimaziel 2030 erreichen wollen.“

Aufgrund des Einstiegs in die Wasserstoffwirtschaft und des Hochlaufs von Elektromobilität und Wärmepumpen ist davon auszugehen, dass der Stromverbrauch in den kommenden Jahren steigen wird. Um das 65-Prozent-Ziel beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu erreichen, müssen die Ausbaupfade für die Erneuerbaren angehoben werden – und zwar für Windenergie an Land auf eine Leistung von 90 GW (EEG: 71 GW) und für Solarenergie auf eine Leistung von 125 GW (EEG: 100 GW). Damit der Ausbau in diesem Umfang auch tatsächlich stattfinden kann, sind drei Hebel notwendig:

1. Abwärtsspirale bei Ausschreibungsmengen im EEG durchbrechen

Die Genehmigungen neuer Windkraftanlagen waren in den vergangenen Jahren so gering, dass die Ausschreibungen regelmäßig unterdeckt waren. Der Mechanismus, die Ausschreibungsmenge bei Unterdeckung zu kürzen, sorgt nun für eine weitere Abwärtsspirale beim Ausbau. Denn wenige Genehmigungen sorgen für wenig Beteiligung an Ausschreibungen, die anschließende Kürzung der Volumina sorgt für eine Verunsicherung der Branche und damit für noch weniger Beteiligung. Der VKU plädiert daher dafür, diesen Mechanismus schnell aus dem EEG zu entfernen und stattdessen die Hindernisse bei Flächenausweisung und Genehmigung für Windkraftanlagen zu überwinden. Die jüngste Einigung zwischen den Regierungsfraktionen bringt zwar etwas Linderung der akuten Schwierigkeiten, verschiebt aber die wesentlichen Fragen in die nächste Legislaturperiode.

2. Genehmigungsprobleme bei Windenergie anpacken

Planungsträger, Genehmigungsbehörden und Projektierer sehen sich mit unklaren rechtlichen Vorgaben konfrontiert. Dadurch sind Flächenausweisungen und Genehmigungen, wenn sie denn erfolgen, juristisch leichter angreifbar. Auch wenn das Investitionsbeschleunigungsgesetz erste richtige Akzente gesetzt hat, fehlen weitere Schritte zur Verfahrensbeschleunigung, beispielsweise eine auf sechs Monate verkürzte Frist für Eilrechtsschutzanträge und eine Stichtagsregelung, die verhindert, dass sich rechtliche Voraussetzungen während des Genehmigungsverfahrens ändern. Hinsichtlich des Repowerings bestehender Anlagen braucht es zudem die rechtliche Klarstellung, dass der Ausgangspunkt für die Genehmigung die tatsächliche Situation vor Ort ist. Gemeinsam mit anderen Energieverbänden appelliert der VKU an Bund und Länder, konstruktiv an der Standardisierung der Artenschutzprüfung von Windenergievorhaben zu arbeiten. Der VKU und die anderen Energieverbände tragen ihren Teil dazu bei, dass die Standardisierung ein Erfolg werden kann und zu einer rechtssicheren, eindeutigen und vorhersehbaren Anwendung des Artenschutzrechts führt. Gemeinsam mit ihnen begrüßt der VKU, dass der Staatssekretär im Bundesumweltministerium als einen möglichen Weg jüngst eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes mit bundeseinheitlichen Standards für den Artenschutz im Zusammenhang mit Windkraftgenehmigungen vorgeschlagen hat. Tatsächlich bleibt dies die einzige Option, wenn sich die Länder nicht auf klare einheitliche Standards verständigen. Erfreulich ist auch die jüngst erzielte politische Einigung zur Entschärfung der Problematik mit den Drehfunkfeuern, die bisher erhebliche Flächenpotenziale blockiert haben.

3. Weitere Säulen des Erneuerbare-Energien-Ausbaus nicht vernachlässigen

Die in den letzten Jahren drastisch gesunkenen Vergütungssätze und Gebotshöchstwerte bei Solarenergie, Geothermie und Biomasse haben den Ausbau der regenerativen Stromerzeugung enorm geschwächt. Teile des Projektierungsgeschäfts wurden weitgehend eingestellt, etwa die Dachpacht für den Betrieb von Solaranlagen. Um die Energiewende in die Städte zu bringen, muss es für jeden Gebäudebesitzer attraktiv sein, Solarstrom zu erzeugen oder sein Dach zu diesem Zweck zu verpachten.

Die durch das EEG 2021 geschaffenen Verbesserungen für die Biomasse können bei Weitem nicht ihre volle Wirksamkeit entfalten, da eine wesentliche Hürde geblieben ist: Biomasseanlagen mit einer Leistung von mehr als 20 MW ist eine Teilnahme an den Ausschreibungen verwehrt. Dadurch sind Betreiber fossil befeuerter Kraftwerke daran gehindert, diese auf Biomasse umzustellen. Auch die Errichtung großer Holzhackschnitzelheizkraftwerke scheitert an dieser Hürde.

Darüber hinaus sollte Energie aus der Verwertung fossiler Abfälle und aus Abwärme den erneuerbaren Energien gleichgestellt werden, denn sie ist treibhausgasneutral und klimafreundlich. Diese Gleichstellung kann in der geplanten EEG-Verordnung zum „Grünen Wasserstoff“, aber auch in anderen Teilen des Energiewirtschaftsrechts wie beispielsweise bei der Umsetzung der EE-Richtlinie im Verkehr (Treibhausgasminderungsquote) umgesetzt werden.

 

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit mehr als 275.000 Beschäftigten wurden 2018 Umsatzerlöse von rund 119 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 12 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen große Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Erdgas 67 Prozent, Trinkwasser 90 Prozent, Wärme 74 Prozent, Abwasser 44 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr kommunale Unternehmen engagieren sich im Breitbandausbau. 190 Unternehmen investieren pro Jahr über 450 Mio. EUR. Sie steigern jährlich ihre Investitionen um rund 30 Prozent. Beim Breitbandausbau setzen 93 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude.