100 Tage Bundesregierung:
VKU sieht Aufbruch und Tempo, aber auch offene Fragen

Nach den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung zieht der VKU eine gemischte Bilanz:

13.08.25

Berlin. Nach den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung zieht der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) eine gemischte Bilanz: Mit den Sondervermögen hat die Koalition die Voraussetzungen für die Auflösung des Investitionsstaus in der Infrastruktur gelegt. Viele liegen gebliebene Vorhaben wurden neu aufgesetzt, zum Teil schon zum Abschluss gebracht. Notwendige Beschleunigungsgesetze für die Energiewende und für andere Themen sind auf dem Weg. So hat die neue Bundesregierung tatsächlich einen neuen Aufbruch vollzogen und Tempo gemacht.

Offene Fragen sieht der VKU allerdings bei zentralen Themen der Kommunalwirtschaft: Auch nach 100 Tagen ist nicht klar, wie die Wärmewende neu aufgesetzt werden soll, und die Ankündigungen für Ausschreibungen der benötigten neuen Gaskraftwerke in diesem Jahr erscheinen eher unrealistisch. Ärgerlich ist, dass das zentrale Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, die Stromsteuer zu senken, nicht eingehalten werde. Das hat Vertrauen gekostet.

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU, sagt: „Die kommunalen Unternehmen stehen bereit, die Transformation vor Ort umzusetzen. Aber sie brauchen dafür klare gesetzliche Rahmenbedingungen, Planungssicherheit und Investitionsanreize. Dafür wünschen wir uns jetzt weitere zügige Entscheidungen.“

Energie: Beschleunigung und offene Fragen zugleich

Die Energiewende profitiert nach Liebings Einschätzung von den Beschleunigungsgesetzen: Umsetzung der RED III-Richtlinie der EU, Förderung von Speichern, Beschleunigung von Geothermie und Wasserstoff, CCS und CCU mit dem CO2-Speichergesetz sowie Beschleunigung für Netzausbauten seien wichtige Maßnahmen, die schon abgeschlossen oder auf den Weg gebracht seien. „Diese ersten Maßnahmen widerlegen auch den Vorwurf, dass die Energiewende gestoppt werden solle. Tatsächlich sind wichtige Beschleunigungen für die Transformation auf den Weg gebracht worden”, erklärt Liebing.

Allerdings seien Kurskorrekturen notwendig, um die Ziele der Energiewende besser mit Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz in Einklang zu bringen, so Liebing. Er unterstützt dabei die Zielsetzung von Bundeswirtschaftsministerin Reiche. Es sei richtig, auch unangenehme Wahrheiten klar auszusprechen.

Das Monitoring-Verfahren zum Stand der Energiewende begrüßt der VKU: Damit wird die Grundlage geschaffen, faktenbasiert Kurskorrekturen vorzunehmen. Doch zentrale Herausforderungen bleiben noch ungelöst:

  • KWK-Förderung: Es fehlen klare Regelungen für Ausschreibungen ab 2026.
  • Gaskraftwerke: Im Moment ist nicht klar, wie in diesem Jahr Ausschreibungen erfolgen sollen, wenn es bisher noch keine abschließende beihilferechtliche Einigung mit der EU als Grundlage für die Ausschreibungen gibt. Auch Details zum dann folgenden Kapazitätsmechanismus als wesentlichem Teil des Strommarktdesigns der Zukunft sind weiter offen.
  • GEG/Wärmeplanung: Da die Kommunen mitten in der kommunalen Wärmeplanung stecken, zum Teil kurz vor deren Abschluss stehen, müssen sie jetzt wissen, wie die „Abschaffung des Heizungsgesetzes“, die Reform des GEG und die Umsetzung von Europarecht im Wärmebereich miteinander in Einklang gebracht werden sollen. 

„Hier brauchen wir dringend klare Entscheidungen, damit die kommunalen Unternehmen ihre Investitionen tätigen können. Allerdings müssen dafür auch die finanziellen Bedingungen verbessert werden. Es ist gut, dass mit den Milliarden aus dem Sondervermögen Finanzierungslücken im Klima- und Transformationsfonds geschlossen werden. Zusätzliche Investitionen sehen wir bisher aber noch nicht. Auch da bauen wir auf Nachsteuerung in den parlamentarischen Beratungen, insbesondere für den Ausbau und die Dekarbonierung der Fernwärme mit dem Programm BEW“, so Liebing.

Wasser: Grünes Licht für Investitionen, aber Grundwasserschutz nicht gefährden

Für die kommunale Wasser- und Abwasserwirtschaft ist es ein zentraler Gewinn, dass die Koalition mit dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIKG) und dem Gesetz zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen von Ländern und Kommunen (LuKIFG) die Bedeutung der wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen für den Wirtschaftsstandort erkannt hat. Damit sind Schritte in die richtige Richtung gemacht. Am Ende kommt es aber auf die Umsetzung an, dass tatsächlich der deutlich gestiegene Investitionsbedarf berücksichtigt wird, um die Wasserwirtschaft an den Klimawandel anzupassen.

Kritisch sieht der VKU, dass die Stoffstrombilanzverordnung aufgehoben wurde, ohne ein neues Steuerungsinstrument fürs Düngen vorzulegen. Das gefährdet den Grundwasserschutz. Der VKU warnt deshalb vor einem neuen Vertragsverletzungsverfahren wegen zu hoher Nitratwerte. Auch bei der Geothermie und Wasserstoffnutzung fordert der VKU klare Regeln zum Schutz der öffentlichen Wasserversorgung. Liebing: „Wasser ist keine Verfügungsmasse. Der Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung muss gesetzlich abgesichert werden – ohne Wenn und Aber.“

Abfallwirtschaft: Fortschritte mit Nachbesserungsbedarf

In der Abfallpolitik hat die Bundesregierung ebenfalls erste wichtige Schritte unternommen – einige zentrale Forderungen des VKU wurden aufgegriffen:

Mit der Novelle des Batteriegesetzes werden klare Zuständigkeiten für die Sammlung von Haushaltsbatterien (inklusive der E-Bike-Batterien) geschaffen – positiv ist, dass kommunale Sammelstellen ausdrücklich nicht für Batterien aus gewerblichen Herkunftsbereichen zuständig sind. Auch im Elektrogesetz gibt es Fortschritte: Die systematische separate Erfassung der Geräte mit Lithium-Batterien durch das Wertstoffhofpersonal erhöht die Sicherheit und Effizienz in der Sammlung und im Transport. Der Einwegkunststofffonds stärkt die Herstellerverantwortung und sorgt für eine finanzielle Entlastung der Kommunen, doch bei dessen Start hakt es weiterhin: Registrierung und Leistungsmeldung müssen reibungslos funktionieren, damit das System seine Wirkung entfalten kann. „Die Bundesregierung muss nachlegen, damit Recht und Gesetz auch umgesetzt werden. Herstellerverantwortung darf nicht zum Papiertiger verkommen“, so Liebing.

Dringenden Handlungsbedarf sieht der VKU vor allem in zwei Bereichen: Die gefährlichen Einweg-E-Zigaretten müssen wegen ihrer Brandgefahr verboten werden – hier fehlt ein klares politisches Signal.  Zudem braucht die Abfallwirtschaft finanzielle Unterstützung, um ihre umfangreiche Fahrzeugflotte klimaneutral umzurüsten. Dafür ist eine Nachfolgeregelung für das ausgelaufene Förderprogramm „Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur" (KsNI) dringend nötig.

Digitalisierung & Cybersecurity

Lob kommt vom VKU dafür, dass die Digitalisierung einen Schub nach vorn bekommt. Dass in den ersten 100 Tagen das Telekommunikationsgesetz geändert und Gasfaser- wie Mobilfunkausbau als im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegend definiert werden, ist ein richtungsweisender Durchbruch, um langwierige Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.  „Es ist zu erwarten, dass sich der Glasfaserausbau damit beschleunigt. Dies ist ein großer Fortschritt und ein deutlicher Pluspunkt für den neuen Digital-Minister“, meint Liebing.

Weniger positiv fällt bislang die Bilanz zur NIS-2 Umsetzung aus. Zwar ist es positiv, dass die Bundesregierung schnell einen Gesetzesentwurf vorgelegt hat. Doch aus Sicht des VKU greift dieser Entwurf zu kurz: Etwa droht Mehrspartenunternehmen eine Doppelregulierung, das betrifft unter anderem thermische Abfallbehandlungs- oder Bioabfallvergärungsanlagen.  Zudem drohen gerade in der Energiewirtschaft zusätzliche bürokratische Belastungen, die über das notwendige Maß hinausgehen. „Das ist umso unverständlicher, da der Bund gleichzeitig für seine eigenen Bundesbehörden ein vermindertes Schutzniveau vorsieht – offenkundig allein aus finanziellen Gründen”, kritisiert Liebing.

Fazit des VKU: Jetzt zählt das Machen

Die Bundesregierung hat in den ersten 100 Tagen wichtige Themen angepackt und vorangebracht. „Die Bundesregierung macht erkennbar Tempo – aber dies darf nicht zu Lasten von Sorgfalt gehen“, so Liebing. Kritisch merkt er an, „dass die Bundesregierung ihr Versprechen, zu moderaten Beteiligungsfristen zurückzukehren, bislang nicht eingelöst habe. Am Anfang ist dies noch verständlich, aber das darf sich nicht auf Dauer fortsetzen“.

Liebing: „Die Unternehmen der Kommunalwirtschaft stehen bereit, in die Zukunft der Daseinsvorsorge zu investieren. Sie tun dies bereits heute und wollen gerade für die Transformation in Richtung Klimaneutralität ihre Investitionen deutlich ausbauen. Dafür brauchen sie verlässliche Investitionsbedingungen und Antworten auf die offenen Fragen der Energie- und Wärmewende. Wir bauen darauf, dass die Bundesregierung mit Tempo auch diese Aufgaben anpackt.“

Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.600 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 309.000 Beschäftigten wurden 2022 Umsatzerlöse von 194 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 17 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 66 Prozent, Gas 65 Prozent, Wärme 91 Prozent, Trinkwasser 88 Prozent, Abwasser 40 Prozent. Die kommunale Abfallwirtschaft entsorgt jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und hat seit 1990 rund 78 Prozent ihrer CO2-Emissionen eingespart – damit ist sie der Hidden Champion des Klimaschutzes. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 220 Unternehmen investieren pro Jahr über 912 Millionen Euro. Künftig wollen 90 Prozent der kommunalen Unternehmen den Mobilfunkunternehmen Anschlüsse für Antennen an ihr Glasfasernetz anbieten. Zahlen Daten Fakten 2024
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