Ohne dezentrale Netzstrukturen keine dezentrale Erzeugung: Die Abschaffung vermiedener Netznutzungsentgelte im Bestand ist ein Fehler 06.12.22

München, 6.12.2022 „Die komplette Abschaffung der Zahlung vermiedener Netznutzungsentgelte ist ein falsches Signal“, sagt Marcus Steurer, Vorsitzender der Landesgruppe Bayern im Verband kommunaler Unternehmen. „Sie sind eines der wenigen Elemente im Energiewirtschaftsrecht, die überhaupt auf die Bedeutung dezentraler Strukturen in den Stromnetzen eingehen. Die Bundesregierung muss zeigen, wie die nötigen Anlagen in unseren Netzen vor Ort gestärkt werden, um die Energiewende konsequent zu verfolgen. Die Abschaffung vermiedener Netznutzungsentgelte nun auch für steuerbare Bestandsanlagen durchzudrücken, ohne alternative Wege für dezentrale Lösungen aufzuzeigen, ist unverständlich.“

Der im Gesetzentwurf zur Strompreisbremse geplante ersatzlose Entfall der vermiedenen Netznutzungsentgelte (§120 EnWG und 18 StromNEV) ab nächstem Jahr ist aus Sicht Steurers „reiner Unfug, der weder durchdacht noch vorausschauend ist“. Die Streichung dieser Entgelte für dezentrale Einspeisung gefährde die Kalkulationsbasis zahlreicher kommunaler Erzeuger, insbesondere von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, und damit den Weiterbetrieb dieser dringend benötigten Anlagen. „Die Unternehmen hatten mit den Erlösen kalkuliert und sehen sich nun mit einem Vertrauensbruch konfrontiert“, so Steurer. „Der geplante Eingriff sendet angesichts des dringend nötigen Zubaus an wasserstofffähigen KWK-Anlagen und des Ausbaus der Wärmenetze ein völlig falsches Signal an Investoren. Wir bauen auf die parlamentarischen Beratungen im Bund, diese Fehlsteuerung zu korrigieren.“

Vielmehr ist es mit dem verstärkten Ausbau dezentraler, erneuerbarer Energieerzeugung und der Rolle von Kunden mit eigenen Anlagen wie Photovoltaik und Speichern dringend geboten, die Steuerung und Kostenstrukturen der Verteilnetze in den Blick zu nehmen. Steurer: „Aus den letzten Gesetzesvorschlägen ist nicht erkennbar, wie das künftig geregelt werden soll. Flexibilitäten, Speicher, die auch in Zeiten knapper regenerativer Erzeugung sicher Kilowattstunden liefern können, und Erzeugungskapazitäten, die Sicherheit bieten, müssen unterstützt werden. Die vermiedenen Netznutzungsentgelte sind eine solche Komponente.“  Sie wirken ähnlich wie der Einkauf lokaler Produkte im heimischen Supermarkt.

Und weiter: „Sie ad hoc im Bestand abzuschaffen, ist über ihre aktuelle Bedeutung hinaus ein fatales Signal an Investoren. Wesentlich ist nun, wie Politik den Ausgleich in unseren Netzen künftig stärken wird. Das gilt insbesondere für die Verteilnetze, wo die entscheidenden Anlagen zugebaut werden. Hier hinkt die Politik seit Jahren den Entwicklungen hinterher. Es ist Zeit für diese Bundesregierung, hier Vorschläge zu machen.“

In Bayern existieren mit der „Roadmap Demand Side Management Bayern“, mit der Modellregion Augsburg im Kopernikusprojekt SynErgie und mehreren Einzelprojekten zu lokalen Energiemärkten wie pebbles oder der Altdorfer Flexmarkt Beispiele, die längst eine politische Ausgestaltung erlauben und erfordern. „Neben der Bundesregierung ist hier auch Bayern gefordert, aktiv zu werden“, sagt Steurer. „Das gilt erst recht, wenn nun wirklich der Ausbau von Wind, Photovoltaik und weiterer Erneuerbarer in Bayern Fahrt aufnimmt.“ Es wäre die passende Ergänzung zum MoU „Verteilnetz und erneuerbare Energien Bayern“ bei Staatsminister Aiwanger vom Juli 2022, das auf den Ausbau der Erzeugungskapazitäten abzielt.

 

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt rund 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit mehr als 275.000 Beschäftigten wurden 2018 Umsatzerlöse von rund 119 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 12 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen große Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Erdgas 67 Prozent, Trinkwasser 90 Prozent, Wärme 74 Prozent, Abwasser 44 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr kommunale Unternehmen engagieren sich im Breitbandausbau. 190 Unternehmen investieren pro Jahr über 450 Mio. EUR. Sie steigern jährlich ihre Investitionen um rund 30 Prozent. Beim Breitbandausbau setzen 93 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude.

In Bayern sind 207 kommunale Unternehmen im VKU organisiert. Die VKU-Mitgliedsunternehmen in Bayern leisten jährlich Investitionen in Höhe von über 2 Milliarden Euro, erwirtschaften einen Umsatz von fast 16 Milliarden Euro und sind wichtiger Arbeitgeber für über 38.000 Beschäftigte.