IFAT
Trittbrettfahrerinnen gesucht! Mit gemischten Teams in die Zukunft

Noch immer sind Frauen in der Abfallwirtschaft stark unterrepräsentiert. Viele Abfallwirtschaftsunternehmen beschäftigten noch gar keine Müllwerkerinnen. Und auch in der Straßenreinigung arbeiten aktuell viel mehr Männer als Frauen. In Zeiten von Toleranz, Vielfalt, Gleichstellung und Fachkräftemangel keine gute Bilanz.

22.05.24

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VKU

VKU Veranstaltung „Trittbrettfahrerinnen gesucht!“ Auf der Bühne von links nach rechts: Janett Auricht (VKU), Sabine Schulz-Hammerl, Karin Falter, Jessica Gritsch (alle AWM)

Viele Unternehmen haben mittlerweile die Notwendigkeit erkannt, Frauen auch für diesen bisher männerdominierten Beruf zu begeistern, doch gestaltet sich das nicht immer so einfach. Neben organisatorischen Grundlagen, wie neuen Sanitäranlagen oder Frauen-Arbeitskleidung, müssen auch die Männer im Unternehmen überzeugt werden. Kommunale Unternehmen, die bereits Frauen einstellen konnten, berichten von vielen positiven Erfahrungen. So ist in gemischten Teams die Stimmung oft ausgeglichener, der Umgang miteinander aufmerksamer und auch die Außenwahrnehmung verbessert sich, wenn auch mal eine Frau auf dem Trittbrett des Wagens steht.

Beim Abfallwirtschaftsbetrieb München arbeiten aktuell 4 Frauen als Müllwerkerinnen unter 800 Männern. Und es sollen gern noch mehr werden.

Auf der IFAT sprachen Karin Falter, stellvertretende Vorsitzende der AG Gleichstellung des VKU, und Janett Auricht, Fachgebietsleiterin im VKU, mit Sabine Schulz-Hammerl (2. Werkleiterin des Abfallwirtschaftsbetriebs München) und Jessica Gritsch, Müllwerkerin beim AWM, über ihre Erfahrungen und Wünsche.

Frau Schulz-Hammerl beginnt das Gespräch mit einem Blick auf die Geschichte der Münchner Müllabfuhr. Auf historischen Fotos sind kräftige Müllwerker zu sehen, die schwere Metalltonnen bis auf Kopfhöhe hieven und diese dann in den Harritschwagen kippen. Dies war eine sehr schwere körperliche Arbeit, die von Männern verrichtet wurde. Heute sieht der Beruf anders aus. Arbeitshilfen, die mit Motoren betrieben werden – Zughilfen, Tragehilfen oder Rückenstützen – erleichtern den heutigen Müllwerkerinnen und Müllwerkern ihre Arbeit. Es bleibt naturgemäß kein leichter Job – gleichgültig für welches Geschlecht. Die körperliche Anstrengung ist dankenswerterweise nicht mehr mit der von vor über 130 Jahren zu vergleichen und das kommt auch der Gesundheit der Männer zugute. Von daher ist es an der Zeit, mehr Frauen in die Teams zu holen. Frau Schulz-Hammerl betont den Mehrwert und fügt gleich noch mehr Argumente an, die dafürsprechen: „Der AWM ist ein bunter und diverser Betrieb. Ich meine, dass die Etablierung von Frauen in traditionellen Männerberufen zur Vielfalt und Inklusion in der Arbeitswelt beiträgt. Verschiedene Perspektiven, Hintergründe und Erfahrungen bringen neue Ideen und auch neue Einstellungen hervor, was letztendlich dem gesamten Team zugutekommt.“

Im gemeinsamen Gespräch führt Frau Schulz-Hammerl dann weiter aus: „Frauen bringen oft unterschiedliche Denkweisen, Herangehensweisen und Kommunikationsstile mit, die die Vielfalt innerhalb des Teams erhöhen. Diese Vielfalt kann zu einer kreativeren und dynamischeren Arbeitsumgebung beitragen, die die Stimmung insgesamt verbessert. Frauen gehen zum Beispiel auch Konflikte anders an und tragen zur Entwicklung eines respektvolleren und kooperativeren Arbeitsklimas bei.“

Ebenso wichtig und erwähnenswert, findet Frau Schulz-Hammerl, dass Frauen in vielen Männerberufen im Durchschnitt weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen. Das ist bei unseren kommunalen Unternehmen nicht der Fall. Stärken wir Frauen in diesen Berufen, leisten wir damit auch einen Beitrag dazu, den Gender Pay Gap zu verringern. Denn gleiche Arbeit muss auch gleich entlohnt werden.

Frau Schulz-Hammerl ist froh, dass bereits vier Frauen im operativen Bereich des AWM arbeiten. Das ist ein vielversprechender Beginn, jedoch nur der erste Schritt. Denn nur durch eine vielfältige und inklusive Arbeitswelt können wir das volle Potenzial unserer Gesellschaft entfalten. „Machen wir diesen Wandel zur Realität und gestalten wir eine Zukunft, in der Gleichberechtigung und Fairness selbstverständlich sind!“, so ihr Schlussplädoyer.

Neben Frau Schulz-Hammerl steht auch Jessica Gritsch auf der VKU Bühne. Sie ist eine der eben erwähnten vier in München tätigen Müllwerkerinnen und heute extra für die Veranstaltung zur IFAT gekommen um von ihrer Tätigkeit zu berichten und mehr Frauen zu ermutigen männerdominierte Berufe zu ergreifen. Sie selbst macht den Job seit knapp drei Jahren und ist über ihren Vater, der ebenfalls Müllwerker im AWM ist, darauf aufmerksam geworden. Zuvor war sie Köchin in einer Großküche und nach ihrer Einschätzung sogar körperlich anstrengender als die Tätigkeit als Müllwerkerin. Die Umstellung fiel ihr daher nicht allzu schwer. Jessica Gritsch erlebte von Anfang an ein gutes Miteinander mit ihren männlichen Kollegen, die Frauen im Team als große Bereicherung ansehen. Die Menschen auf der Straße sind noch immer erstaunt, wenn sie Frauen bei der Müllabfuhr sehen. Bisher hat sie viele positive Reaktionen erlebt.

Die Müllwerkerinnen unterstützen sich untereinander gut. Für Neueinstellungen wünscht sich Jessica Gritsch Patinnen, um noch besser in den neuen Job starten zu können. Auch ein Schnuppertag oder ein kurzes Praktikum, würde es Frauen erleichtern, sich ein Bild von der Arbeit zu machen. Insgesamt – und da spricht Jessica Gritsch für alle vier Müllwerkerinnen, fühlen sie sich wohl und haben es nicht bereut diesen „Männerberuf“ ergriffen zu haben. Für die Zukunft erhofft sie sich, dass es bald kein Männerberuf mehr ist.

Dafür braucht es sichtbar mehr Frauen im Stadtbild und ein klares Bekenntnis der Betriebe für Frauen in diesen Berufen.