Neue BMWI-Strombedarfsprognose
VKU-Chef Liebing zur BMWI-Strombedarfsprognose: „Mehr Strom bedeutet auch mehr Investitionen in den Um- und Ausbau der Energieinfrastruktur“ 13.07.21

Berlin, 13.07.2021. Vor dem Hintergrund der aktuellen energiewirtschaftlichen Entwicklungen hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Neuberechnung der Strombedarfsprognose für das Jahr 2030 in Deutschland durch Prognos beauftragt. Das Ergebnis* bestätigt die seit langem auch vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vorgetragene Kritik, dass die bisherige Prognose deutlich zu niedrig angesetzt war.

VKU-Chef Ingbert Liebing: „Der nun vorgestellte Wert von rund 655 TWh liegt sicher am unteren Rand der derzeit diskutierten Größenordnungen. Wichtiger als die absolute Höhe ist aber, dass es für die notwendigen Umbaumaßnahmen unseres Energie- und Wirtschaftssystems deutlich mehr Strom braucht, um die Klimaneutralität 2045 zu erreichen. Dass das Bundeswirtschaftsministerium dies nunmehr auch offiziell anerkennt, begrüßen wir ausdrücklich.

Die Prognose zeigt deutlich, dass wir die größeren Strommengen aus erneuerbaren Energien und deren Wechselwirkung auf andere Teile unseres Energie- und Wirtschaftssystem noch stärker in den Fokus nehmen müssen. Wenn wir 2030 einen Erneuerbaren-Anteil von 65 Prozent erreichen wollen, müssen wir den Ausbau konsequent vorantreiben und die Maßnahmen sinnvoll nachschärfen. Darauf hatte die Kommunalwirtschaft schon bei unterschiedlichen Novellen hingewiesen. Und das wird sich die neue Bundesregierung als einen ersten Baustein für das Gelingen der Energiewende auf die Agenda setzen müssen.

Damit mehr Energie von A nach B kommt, ist dabei der Aus- und Umbau der Strom- und Gasnetze von zentraler Bedeutung. Nur so können wir die erneuerbaren Energien im ganzen Land aufnehmen und sicher zum Kunden bringen. Und nur so bringen wir eine Wasserstoffwirtschaft ans Laufen, die zudem die Strominfrastruktur entlasten kann.

Die Energieinfrastruktur muss schon heute und erst recht in den kommenden Jahren fit gemacht werden. Dies erfordert massive Investitionen nicht nur in neue Kabel und Leitungen, sondern auch in Personal, moderne Steuerungstechnik, leistungsfähigere Trafos und dezentrale Speichersysteme. Gerade für den prognostizierten Hochlauf der Elektromobilität sind wir auf die zukünftige Leistungsfähigkeit der Verteilnetzbetreiber angewiesen. Sie sorgen schon heute für eine Grundversorgung an Ladeinfrastruktur, ohne dass es sich wirtschaftlich rechnet. Deshalb müssen die entsprechenden Investitionen sichergestellt werden. Es braucht einen regulatorischen Rahmen, der Investitionen anreizt statt auf Kostenersparnisse zu setzen.

Neue Netzstränge werden nicht mal eben per Knopfdruck verlegt, ebenso wenig Netze umgebaut: Wie jeder Handwerker weiß: Gut geplant, ist halb verlegt. Bevor also überhaupt ein Kabel, eine Leitung in der Erde verbuddelt wird, braucht es gründlich validierte Bedarfsprognosen.

Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, weil die Zahl der Elektroautos und Wärmepumpen sehr schnell und exponentiell steigen wird. Zudem müssen Millionen von neuen Solar- und Windstromanlagen und Verbrauchern schnell und sicher in das Energiesystem integriert werden. Um Wasserstoff für die Wärmewende zu nutzen, muss er von den Erzeugungsanlagen in die Heizsystem der Kunden transportiert werden. Das können unsere heutigen Gasnetze, wenn sie ein Wasserstoff-Upgrade bekommen.

Für den Aus- und Umbau der Energieinfrastruktur brauchen also wir einen Tempomacher. Die kommunalen Unternehmen sind auf dem Weg, gemeinsam mit ihren Kommunen und den Akteuren vor Ort die Dekarbonisierung konkret anzugehen. Dies zeigen beispielsweise die vielen Pilotprojekte zum Einsatz von Wasserstoff vor Ort. Um diesen Weg aber auch weiterhin erfolgreich zu gestalten, brauchen sie klare Rahmenbedingungen für diesen Transformationspfad. Hier ist insbesondere ein gemeinsamer Regulierungsrahmen für die zukünftige Gas- und Wasserstoffinfrastruktur zu nennen.“

  

* Der voraussichtliche Strombedarf steigt - auf Basis der Berechnungen von Prognos - gegenüber der ursprünglichen Prognose in Höhe von 580 TWh auf 645 bis 665 TWh im Jahr 2030 an. Dieser Anstieg um rund 15 Prozent spiegele die dynamische Entwicklung in zentralen Bereichen wider. So sollen nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums bzw. der Gutachter 2030 immerhin 14 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland unterwegs sein, sechs Millionen Wärmepumpen die Gebäude heizen und die Kapazität der Elektrolyseure für Wasserstoff soll 19 TWh betragen.

 

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit mehr als 275.000 Beschäftigten wurden 2018 Umsatzerlöse von rund 119 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 12 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen große Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Erdgas 67 Prozent, Trinkwasser 90 Prozent, Wärme 74 Prozent, Abwasser 44 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr kommunale Unternehmen engagieren sich im Breitbandausbau. 190 Unternehmen investieren pro Jahr über 450 Mio. EUR. Sie steigern jährlich ihre Investitionen um rund 30 Prozent. Beim Breitbandausbau setzen 93 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude.